
Gesandte der mächtigen britischen Nation ein Rosselenker! H
Eines Tages kam Charlie, ein grösser Jagdhund des Herrn Bruce,
der Liebling der ganzen Gesandtschaft, in ein Zimmer, wo sich
grade der die Wache commandirende junge Officier mit einem der
Dolmetscher und dessen chinesischem Sprachgelehrten Ts a n befand.
Letzterer blickte finster, als der Officier den Hund neckte und konnte
seinen Aerger kaum verbergen, als die Balgerei etwas toller wurde.
Als aber der junge Krieger dem Hunde gar in’s Ohr bullte, hielt
T s a n sich nicht länger; er nahm seine Brille von der Nase, steckte
sie würdevoll ein und schritt voll Entrüstung hinaus. — Folgenden
Tages fragte er den Dolmetscher nach Rang und Stellung des
hundefreundlichen Herrn und äusserte darauf, dass sein Stand
Alles erkläre: auch in China hätten die Mandarinen des Kriegerstandes
keine Erziehung. Uebrigens habe Charlie selbst gebrummt, als
der Officier ihm in das Ohr bellte, und damit mehr Würde bewiesen
als dieser. — Charlie erwarb sich bei der chinesischen Dienerschaft
bald solche Achtung, dass sie ihn nicht anders nannten als T s a -
ta - t.a ü - y e , — etwa Charles Esquire.
Im vertrauten Verkehr mit ihren Linguisten, welche den
grössten Theil des Tages in den Legationen zuzubringen pflegten,
erhielten die Diplomaten auch wichtige Aufschlüsse über die Hauptstadt
und deren Bewohner. Die früheren Angaben_Aber die Einwohnerzahl
waren sehr schwankend und sicher übertrieben. Zählungen
wurden auch je tz t nicht veranstaltet; die Schätzungen der
Linguisten beruhten aber auf langjähriger Beobachtung und zuverlässiger
Rechnung; sie stimmten ziemlich genau dahin überein, dass
die Tartarenstadt in runder Zahl gegen 100,000 Hausstände enthalte.
Da nun verheirathete Söhne in China meist bei den Eltern wohnen,
so rechnete man jeden Hausstand durchschnittlich auf 8 Köpfe.
Die Garnison war über 100,000 Mann stark. Auf die Chinesenstadt
rechnete man 50,000 Hausstände; somit betrüge die Gesammt-
bevölkerung gegen 1,300,000. Seelen. So tief diese Zahl unter
früheren Schätzungen s te h t, so ist sie doch nach der allgemeinen
Ansicht der Fremden eher zu hoch gegriffen. Die Bevölkerung
von P e -kin h a t sich vielleicht gemindert, aber gewiss
nicht in dem Maasse, wie die früheren Angaben vermuthen lassen;
denn offenbar ist ein grösser Theil, vielleicht über die Hälfte
des von d e r Ringmauer umschlossenen Gebietes niemals städtisch
bebaut gewesen. •
So ruhig und nüchtern die Bevölkerung der Hauptstadt dem
Fremden scheint, so ist sie doch ein wichtiger Factor in allen
politischen Angelegenheiten. Die öffentliche Meinung in anderen
Städten des Reiches kümmert den kaiserlichen Hof nur wenig; mit
den Bewohnern von P e -k iñ sucht er sich stets in Einklang zu setzen.
Die Ursache liegt nah: er ist in ihren Händen, während Unzufriedenheit
und Aufruhr in anderen Theilen des Reiches ihn nur von ferne
berühren. Die Bannerleute, der wichtigste Theil der Garnison,
wohnen seit mehreren Generationen in P e - k iñ und sind mit der
Bevölkerung innig verschmolzen, ja gewissermaassen die Bevölkerung
selbst; denn Familienbande knüpfen sie sicher, an alle Stände. Die
Gunst der Bevölkerung war die Stärke des Prinzen von K o t in der
damaligen politischen Conjunctur. Denn abgesehen davon, dass
seine Gegner' den Kaiser aus selbstsüchtigen Absichten, zum tiefen
Schmerz aller, ehrlichen Patrioten nach D z e h o l getrieben hatten,
war Su-TSUEN, die Seele jener Camarilla, aus anderen Ursachen
dem Volke .verhasst, dessen Wünsche sich deutlich in einem damals
umlaufenden Gerüchte spiegelten: die erste Handlung des jungen
Kaisers sei der Befehl zu S u - t s u e n ’s Hinrichtung gewesen. Man
verabscheute ihn als Urheber der Geldnoth, welche im Sommer
1861 ihren Gipfel erreichte und das Volk in grosse Aufregung
versetzte. Seit einigen Jahren hielten nämlich die T a e - p iñ alle
Kupferminen besetzt, welche die kaiserliche Münze zu versorgen
pflegten; deshalb konnte kein Kupfergeld geprägt werden. Solches
bildet aber das einzige Tauschmittel im Handel und Wandel des
Volkes; gemünztes Silber giebt es nicht, nur ungemünztes kommt
in Barren dem Gewicht nach bei grösseren Zahlungen in Anwendung.
S u - t s u e n liess nun als Präsident des Finanz-Departements zunächst
eiserne Münzen prägen, welche die Bewohner von P e - k iñ entrüstet
. zurückwiesen und dem Urheber auf offener Strasse an den Kopf
warfen. Dann liess er Papiergeld ausgeben, das die Kassen zum
vollen Werthe wechselten. Allmälig aber sank der Cours, welchen
vier privilegirte Banken zu normiren hätten, und man erfuhr, dass
der Nominalwerth der ausgegebenen Noten die Zahlungsfähigkeit
der Regierung um ein Vielfaches überstieg. S u - t s u e n soll bei dieser
Operation keinen Schaden gelitten haben: kurz vor dem Termin, an
welchem er 1860 als Präsident des Finanz-Departements öffentlich
Rechnung legen musste, gingen dessen Amtsgebäude mit sämmtlichen
auf die Emission der Noten bezüglichen Documenten in Flammen