
einem breiten, mit Steinplatten belegten Damm erhöht; zu beiden
Seiten der Strasse stehen an ihrer südlichen Hälfte endlose einförmige
Mauern, die Tempelgründe des Himmels und des Ackerbaues
abgrenzend. Der räumliche Eindruck der langen Linien ist
imposant.19) Die Strasse weiter verfolgend überschreitet man auf
verfallener Marmor-Brücke einen trockenen Graben und gelangt in
den belebtesten Theil der chinesischen Stadt. Der erhöhte Steindamm
setzt sich, von Budenreihen gesäumt, in der Mitte fort; zu
beiden Seiten läuft ein ungepflasterter Weg, den Buden gegenüber
von Häuserreihen begrenzt» So ist die Strasse dreifach; die seitlichen
Gassen gleichen, hier und da zeltartig mit Matten verhängt,
einem Bazar, denn jedes Haus ist ein Kaufladen. Durch ein fünffaches
hölzernes Portal mündet sie auf eine durch Geländer in drei
Bahnen getheilte Marmorbrücke; die beiden äusseren dienen dem
Verkehr, die mittlere breiteste Bahn als Halteplatz für Droschken;
sie fasst bequem zwei Reihen jenpr schmucken Maulthier - Karren,
die, in munterem Trabe durch das Gewühl klappernd, alle Strassen
von P e -kin beleben. Bei aller Einfachheit h a t dieses Fuhrwerk
eine gewisse grossstädtische Eleganz; das Holzwerk ist sauber geglättet,
oft mit blankem Messing beschlagen, das Dach aus leichtem
Gitterwerk mit blauem Baumwollenstoff bezogen, dessen Ränder
ausgezackt und schwarz eingefasst sind; über das glatte Maulthier
breitet sich ein blaues Sonnensegel.
Neben den Droschken beleben auch Packpferde, Esel und
Maulthiere, den Kram der Landleute zu Markte bringend, die
Strassen von P e - kin; lange Züge zweihöckriger Kameele wanken
in gemessenem T ritt durch das Gewühl. Sie dienen theils zum
Schleppen von Baumaterial und anderen schweren Lasten, theils
kommen sie, geritten von wilden malerischen Gestalten, mit Waaren
aus der Mongolei. Auffallendes Costüm sieht man wenig; die Männer
kleiden sich einfach in blaue oder gebrochene Farben; nur Frauen
und Kinder gehn zuweilen in gestickten Seidengewändern, die Frauen
larvenartig geschminkt. Man sieht deren überhaupt wenige auf den
Strassen; Frauen von Stand verlassen ih r Haus nur in geschlossener
Sänfte. Sehr vortheilhaft stechen die Tartarenfrauen durch un-
verkümmerte Füsse von den Chinesinnen ab, nicht allein im Gang,
sondern in der ganzen Gestalt und den Gesichtszügen, auf deren
Entwickelung jene Unsitte nachtheiligen Einfluss üben muss. Die
Tartarinnen haben einen freien, hübschen Ausdruck, volle, gesunde,
zuweilen schöne Züge und kräftige Gestalten. Die Männer zu unterscheiden
ist schwieriger; wahrscheinlich haben sich beide Stämme
in Pe - kin stark vermischt; im Costüm ist kein Unterschied, da ja
der Chinese die Trach t der Sieger annehmen musste.
Das Strassenleben ist bunt genug. Hier drängt sich die
Menge um einen verkommenen Literaten, der, in den Prüfungen
durchgefallen, sein Brod durch Vorlesen und Erzählen erntet: mit
prächtigem Pathos trägt er, durch alle Tonarten gurgelnd und
flötend, das Werk eines Classikers vor, und sammelt in den Pausen,
die Grossmuth seiner Zuhörer durch salbungsvolle Sprüche weckend,
milde Gaben ein. Dort schreit ein ambulanter Koch, dessen ganze
Küche mit Feuerstelle, Kesseln und Pfannen auf einem Schiebkarren
eingerichtet ist, mit zuversichtlicher Miene seine wohlfeile Mahlzeit
aus: den wunderbarsten Thee, weisheitgebende Wassermelonen,
muthbringenden Schnaps, Fische und Kuchen in F e tt gebacken.
Räudige Hunde und kahle Schweine drängen sic h , ih r Theil an der
Mahlzeit heischend, ohne Scheu zwischen die Beine der Schmausenden,
und erhalten nur bei allzugrosser Frechheit einen Fusstritt,
vor dem sie heulend davon reimen. — Nah dabei h a t ein wandernder
Schmied seinen Herd aufgestellt: mit einem Fusse tritt er den
Blasebalg, die Hände sind mit Hammer und Zange emsig. Hier
kommt ein Barbier durch das Gedränge, ein Tragholz über die
Schulter, an welchem hinten ein Gestell mit Becken, Kessel und
Handtuch, vorn ein Schemel und ein kleines Gong hängen, dessen
Klingklang die Kunden lockt. Im dichten Gewühl geht er an die
Arbeit, packt sein Opfer am Zopf, reibt den Schädel mit heissem
Wasser ein und säbelt mit ungeschlachtem Messer ohne E rbarmen
auf H aiipt und Wangen herum. Sehr zart hantirt dagegen
der fussheilende Aesculap, der mit Salben und Pflastern der Leidenden
harrend im ruhigen Winkel sitzt. Wo der Haufen sich drängt,
findet man .entweder einen Geldwechsler hinter Tischen mit
Münze, oder ein Kasperle-Theater, aufs Haar dem unseren gleichend;
da zeigt sich recht deutlich, wie abgesehen von Sprache, Kostüm
und anderen conventioneilen Aeusserlichkeiten das tägliche Leben
aller Völker sich gleicht, wie die menschliche Natur überall dieselben
Wege geht, dieselben Schmerzen des beschränkten Daseins
leidet und dieselbe Heilkraft des Humors besitzt. — Auch