
die Mündung des T su - k ia n Boeca Tigris. Davor liegen auf niedrigen
Felsinseln und ain linken steileren Flussufer die Festungswerke,
welche die Einfahrt vertheidigen sollten und so oft zusammengeschossen
wurden, lange kanonengespickte Mauerlinien.
Je weiter hinauf, desto reicher sind die flachen Ufer angebaut,
desto belebter der Fluss. Viele Dörfer, Tempel und Pagoden säumen
den Strand. — Um halb zwei hielt der Dampfer bei W a m -
p o a , wo die grossen Seeschiffe ankern, und war im. Nu von T a n -
k a - Booten umringt, aus welchen die lustigen Mädchen um die
Wette schrieen und wüktenjggS Am Ufer liegen schmutzige Häuserreihen
mit Agenturen, Kneipen und Kramläden für den Scliiffsr
bedarf, daneben ausgedehnte Werfte, wo auch Fahrzeuge europäischen
Schnittes -gebaut werden. W a m - p o a scheint schmutzig
und übelriechend, voll Gesindel, wie mancher andere Hafenort.
Die Gegend ist hügelig und hübsch bewachsen, dichte Bananengruppen
geben ih r einen tropischen Anstrich.
Oberhalb W a m - p o a theilt sich der Strom in zwei Arme;
.d e r Hankow läuft in den nördlichen ein. Die Landschaft wird immer
hübscher; auf dem linken Ufer treten die Berge näher an den
Fluss, auf dem rechten stehen zwei schlanke Pagoden. Ein Dorf
reiht sich- an das andere, schattige Wäldchen und Bambusgebüsche
grünen zwischen den Reisfeldern. Der Ilu s s wird enger; das
Gedränge der Dschunken lässt kaum einen Durchgang frei. Eine
Felsrippe durchsetzt das Wasser; rechts und links stehen zwei
kleine Leuchtthürme. Der Dampfer schiesst durch das T h o r und
lässt bald darauf seinen Anker fallen, nachdem er 98 Seemeilen in
6 Stunden machte.
Am linken nördlichen Flussufer liegt die Stadt K a n - t o n ,
eine graue Häusermasse, das rechte bildet die Insel H o - n a n , wo
damals die meisten Fremden wohnten. Noch war ein breiter
Streifen zwischen dem Fluss und der Stadtmauer unbebaut, wo die
verbrannten Factoreien und Vorstädte Ständen. — Der Fluss ist
ungemein belebt. Am Ufer liegen in langer Reihe die »Flowerboats«,
schwimmende Häuser mit reich geschnitzten, bemalten, vergoldeten
Fagaden, lauter Theehäuser und Schenken. Tausend andere von
den ärmeren Volksclassen bewohnte Boote bilden Strassen und
Gassen; die der Aussätzigen liegen gesondert und abgesperrt. Im
Fahrwasser ankern viele Dschunken und Lorchas; dazwischen
schwärmen Boote mit Marktwaaren, Werkstätten, Kramläden herum,
auch Bettler und Krüppel rudern sich Almosen heischend in kleinen
Nachen durch das Gedränge, —k Die meisten Passagierboote werden
von Mädchen öder Frauen gerudert, die oft bei ihrer schweren Arbeit
noch ein Kind auf den Rücken gebunden tragen. Diese
» T a n - k a -Boote« enthalten die ganze Häuslichkeit einer Familie,
sind aber meist nur von Frauen und Kindern bewo h n t; vermuth-
lich fischen die Männer oder arbeiten am Lande; denn dass die
T a n - k a - Chinesen, wie man erzählt, keinen festen Boden betreten
dürfen, ist kaum zu glauben, — wie wären sie zu erkennen? w-
Ihre Boote sind flach gebaut und haben ein bewegliches Dach von
Mattengeflecht, durch welches nach Bedürfniss Luft und Licht eingelassen
werden kann. Im hintersten Winkel steht ein kleiner vergoldeter
Altarschrein mit künstlichen Blumen und anderen Zierlichkeiten,
vor welchem die Schifferinnen zu gewissen Tageszeiten
Kerzen anzünden und andächtig niederknieen. Sie scheinen bei
a.ller Armuth meist heiter und zufrieden und halten ihr schwimmendes
Häuschen sehr reinlich. — Als der Hankow vor K a n - t o n
ankerte, umdrängte ihn eine dichte Schaar dieser Boote; wie eine
Gänseheerde schnatterten die Dirnen.
Herr von Carlo witz, der den Gesandten nach K a n - t o n begleitete
, hatte auf der Fahrt das Unglück, vom unteren Deck zwölf
Fuss tief in den Schiffsraum hinabzustürzen. Aeusserlich nur wenig
verletzt blieb er doch eine Weile besinnungslos, musste mehrere
Tage das Bett hüten und konnte den Gesandten auf seinen Wanderungen
durch K a n - t o n nicht führen. Graf Eulenburg stieg mit
seinen Begleitern bei dem Hamburger Kaufmann Herrn Dreyer ab,
der ihm sein gastfreies Haus zur Verfügung stellte. Frau von Carlo-
witz machte sehr liebenswürdig die Honneurs des preussischen Con-
sulates. — Die beiden folgenden Tage wurden mit Wanderungen
durch die Stadt und Besuchen in den Kaufläden zugebracht, welche
in K a n - t o n glänzender ausgestattet sind, als irgendwo in China.
K u a n - t s u - f u , K u a n - t u n oder S a n - t s in , — so heisst K a n t
o n in der Landessprache, soll schon im grauen Alterthum die
wichtigste Stadt des südlichen China gewesen sein. Im 3. J a h rhundert
v. Chr. wurde sie mit Pallisaden, und 1067 zur Abwehr
der räuberischen Cochin-Chinesen mit einer Ringmauer umgeben.
Den Heeren der Mandschu widerstand sie lange Zeit, fiel
aber 1650 nach schwerer Belagerung durch Verrath und wurde der
Plünderung preisgegeben. Dabei sollen 700,000 Kantonesen um