
inneren Gehalt nach mindestens die Waage halte. Die Gesandten
strebten ernst und beharrlich den leitenden Staatsbeamten diese
Ueberzeugung einzuimpfen und haben ihre Aufgabe glücklich gelöst:
der Prinz von. K un und der Minister W e n - s i a n gaben ihnen
den Sommer über täglich Beweise, dass sie eifrig bemüht waren,
auch den Kaiser zu ihrer Ansicht zu bekehren und ein richtiges
Verhältniss zu den Fremden anzubahnen.
Den klugen, mit den chinesischen Institutionen innig vertrauten
W e n - s ia n betrachteten die Diplomat^i in P e - k in als den
politischen Mentor des Prinzen, der bis dahin, allen Geschäften
fremd und lediglich auf sein Vergnügen bedacht, auch der chinesischen
Bevölkerung keineswegs für staatsmännisch begabt, wohl
aber als redlicher Charakter galt. Aber trotz dem eisernen Fleiss
des gewiegten und lebendigen W e n - s ia n und trotz der häufigen
Schläfrigkeit des Ptinzen bei politischen Verhandlungen, — deren
Detail ihn offenbar langweilte, -— begriff Dieser oft leichter einfache,
der chinesischen Anschauung widerstrebende Ideen; er war eben
ohne vorgefasste Meinungen und unbefangener als der kluge Minister,
der, von Jugend auf im Staatsdienste', das innerste Wesen
der chinesischen Verfassung in sich eingesogen und assimilirt hatte
und nur mit Mühe seine Gedanken in andere Wege zwängte.
Das grösste Hinderniss der von beiden Männern gewünschten
Reformen b o t die notorische Unredlichkeit aller Beamten und das
auch an höchster Stelle, stillschweigend begünstigte System der
Erpressungen. Der Prinz und W e n - s i a n erklärten unumwunden
bei jedem Anlass, wo es sich um Besetzung verantwortlicher Stellungen
handelte, dass sie keinen unbescholtenen Beamten zu nennen
wüssten; deshalb wurde die oberste Verwaltung der Zollämter für
den fremden Handel, welche jetzt die ergiebigste — vielleicht die
einzige sichere Einnahme - Quelle des kaiserlichen Schatzes waren,
ausschliesslich Europäern anvertraut. Selbst unter ihren Amtsgenossen
trauten sie keinem. Der alterschwache K w e i - l i a n , des
Prinzen Schwiegervater, kam nicht in Frage. T s v n - l u e n ’s Verwaltung
als Steuerdireetor in T i e n - t s i n und als Vice-Präsident im
Finanz-Ministerium verhüllten dichte Schleier, die Niemand lüften
mochte. H a n - k i glänzte durch die Grossartigkeit seiner Räubereien.
So eingelebt ist das System der Erpressungen, dass der
H o p - P o oder Steuerdireetor in K a n - t o n , der sich nach fünfjähriger
Verwaltung in P e - k i n z u stellen hat. dem. Officier der
dortigen Thorwache für jedes Verwaltungsjahr 10,000 T a e l zahlen
muss, welche dem General -Capitän der neun Thore zufallen. Jenes
Amt hatte H a n - k i bekleidet. Da nun unter seiner Verwaltung
der Handel fast anderthalb Jahre lang stockte, so zahlte er nur
36,000 T a e l , um eingelassen zu werden. Dem Kaiser überreichte
er bei jeder der beiden Audienzen nach seiner Rückkehr eine Anweisung
auf 10,000 T a e l , welche der hohe Herr eincassiren liess,
und bei dessen Flucht nach D z e h o l hatte H a n - k i abermals 10,000
T a e l z u erlegen. Diese. Abgaben scheinen ihn kaum gedrückt zu
haben; auf das Begräbniss seiner Mutter verwendete er im Sommer
1861 5000 T a e l . Nun beträgt das Jahrgehalt des H o p - p o in K a n t
o n nur 2400 T a e l , der gewöhnliche Aufwand seines YA-Mmaaber
gegen 8000';. einem Beamten in vortheilhafter Stellung pflegt näm-
hch in China seine ganze Sippe zu folgen und auf seine Kosten zu
leben. Trotzdem rechnete man H a n - k i ’s Beute auf 300,000 T a e l .
Ueber die Art der Erpressung erhielt Mr. H a rt lustigen Aufschluss
von H a n - k i ’s erstem Beamten, welcher feierlich behauptete, dass
Alles ehrlich erworben sei: der Schleichhandel au f dem T s u - k ia n
habe damals den Bau und die Ausrüstung vieler Regierungsschiffe
erfordert; diese nothwendige Ausgabe sei pflichtgemäss verrechnet,
das Geld aber nicht verwendet worden; die Regierung habe davon
nur Vortheil, weil die wirkliche Ausrüstung weit mehr gekostet
hätte, als H a n - k i aus den Staatskassen erhob. Dieses Raisonne-
ment war ernst gemeint Am kaiserlichen Hofe scheint man die
Fälschungen zu begünstigen: der H o p - p o erhält von da oft Aufträge
, die Tausende verschlingen, darf aber den Himmelssohn me
mit der Rechnung belästigen.38) ,
Die Corruption geht durch alle Classen der Mandarinen.
Zum Verdruss der Gesandten suchten häufig Chinesen unter dem
Vorwand, dass sie ihnen dienten, den Landesgesetzin zu trotzen.
Solches Imperium in imperio hatte die Regierung von Einrichtung
der fremden Gesandtschaften in P e - k in gefürchtet; selbst Prinz
K u n und s.eine Amtsgenossen wachten eifersüchtig über jeden Eingriff
in, die kaiserlichen Hoheitsrechte, Und die fremden Gesandtschaften
verwehrten sich bündig gegen alle Theilnahme daran.
Da sie das Recht hatten; ih r Eigenthum zollfrei in P e - k in einzuführen,
so erklärten häufig Fuhrleute an den Thoren, dass ihre
3S) Von'D zehol aus soll sich Kaiser H ie n - eün bei dem H o p -ro von K a n - ton
für etwa 3000 Pfd. St. Spiegelglas bestellt haben.