
In der Frage, welcher Text maassgebend sein solle, erlangte
Graf Eulenburg ein ungehofftes Zugeständniss. Die Bedingung des
englischen und des französischen Vertrages, dass nur der englische
und der französische Tex t gelten sollten, war eine Härtej ein Er-
gebniss der Gewalt, welche jene Verträge erzwang. Der Prinz und
die Coinmissare bestanden von Anfang an fest darauf, dass solcher
Artikel nicht in den preUssischen Vertrag käme. Der Gesandte gab
nun aniangs zu, dass für die deutschen Staaten der deutsche, für
China der chinesische Text gelten solle, ohne sich die möglichen
Folgen solchen Abkommens zu verhehlen. Die endlose Wortklauberei
der Commissare bei den Verhandlungen aber und der grosse Werth,
den sie auf Anwendung dieses oder jenes Zeichens im chinesischen
Texte legten, überzeugten ihn, dass Conflicte über die Auslegung
des Vertrages unter jener Voraussetzung sogar unvermeidlich sein
würden. Mit grösser Mühe vermochte er nun die Commissare zu
Annahme eines dritten, beiden Theilen verständlichen Textes: den
deutschen und chinesischen Ausfertigungen sollte eine französische
beigefügt werden, auf welche im Falle einer Meinungsverschiedenheit
als auf die für beide Theile entscheidende Fassung zurückzugehen
wäre. Dieses Abkommen sicherte die deutschen Staaten
und schädigte auch China nicht, da unter den Schülern der
katholischen Missionen viele des Französischen vollkommen mächtig
waren.
Gegen die Reisen im Innern von China und das Einlaufen
von Kriegsschiffen in alle chinesischen Häfen sträubten sich die
Commissare mit grösser Zähigkeit; sie fürchteten, dass den Rebellen
Kriegsbedarf zugeführt, dass P e - k in von Reisenden überschwemmt
würde. Graf Eulenburg bestand aber unerschütterlich auf diesen
Rechten.
Ueber die eventuelle Verlängerung der fünfjährigen Frist
richtete der Gesandte eine Note an den Prinzen von K u n : die
chinesische Regierung möge, falls nach ihrer Ansicht die politische
Lage nach fünf Jahren dazu Veranlassung gäbe, das preussische
Ministerium des Auswärtigen um längere Vertagung der Accre-
ditirung eines Gesandten ersuchen; solche Vorstellung werde sicher
in ernste Erwägung gezogen u n d , wo irgend möglich, berücksichtigt
werden. Gewissenhafte Ausführung aller Bestimmungen des
Vertrages sei das beste Mittel, die preussische Regierung zum Eingehen
auf die Wünsche der chinesischen zu vermögen; man wTerde
sich zu deren Gewährung um so leichter entschliessen, wenn die
Beziehungen sich auch ohne die Anwesenheit eines Vertreters in
P e - k in günstig gestalteten.
Der Prinz erklärte diese Fassung für genügend. GrafEulen-
bUrg liess nun den definitiven Text des Vertrages redigiren, wrelchen
die Commissare am 12. August nach P e - k in zur Beförderung an
den Kaiser sandten. Da der Prinz beständig in Kenntniss des Inhalts
gehalten wurde und sich mit allen Bestimmungen einverstanden
erklärt hatte, so war die kaiserliche Genehmigung mit Sicherheit
zu erwarten; wir schritten deshalb Zu Anfertigung der deutschen
U h d französischen Reinschriften in je vier Exemplaren, welche bis
zum 24. August vollendet wurden. Herr de Meritens übergab dieselben
den Commissaren zur Beförderung nach P e - k i n , damit ihnen
das Siegel des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten bei-
gedruokt würde.
Inzwischen kamen immer schlimmere Nachrichten von der
Krankheit des Kaisers. Man wusste aus guter Quelle, dasä' er an
heftigem Blutauswurf litt; ein Sarg war schon nach D z e h o l geschafft
worden. Zwar erschien am 11. August in P e - k in ein amtlicher
Maüeranschlag, dass der Kaiser ausser Gefahr und sogar in
der Genesung sei; aber die Höchzeitsaufzüge auf den Strassen
mehrten sich auffallend, ein Zeichen, dass man im Volk nicht daran
glaubte: während der Trauermonate für den Kaiser d a rf nämlich
in China nicht geheirathet werden.
Herr de Meritens, welcher zur Feier des Näpoleonstages
nach P e - k in ging und am 22. August nach T i e n - t s in zuriick-
kehrte, glaubte, dass der Kaiser schon to d t, der Prinz von K u n
zum Regenten ernannt sei. Letzterer war in P e - k in zehn Tage
nicht sichtbar und während dieser Zeit Vermuthlich in D z e h o l gewesen;
nachher fiel Allen die Sicherheit seines Wesens und die
ernste Befriedigung in seinem Ausdruck auf. F ü r uns waren es
Tage spannender Erwartung, da Niemand wissen konnte, ob der
Vertrag vom Kaiser noch genehmigt sei, ob er" bei Einsetzung einer
fremdenfeindlichen Regentschaft überhaupt genehmigt würde.
Am Abend des 25. August brachte Herr de Meritens die
Nachricht, dass nach amtlichen Aeusserungen der chinesischen Regierung
Kaiser Hien- fcn am 21. August verschieden sei, am 19.
aber noch den preussischen Vertrag genehmigt habe, ohne eine
Silbe daran zu ändern; das mit dem kaiserlichen Siegel versehene