
Immer belebter werden die Wege, die Tempel und Grabmäler
häufiger. Herrliche Ulmen, Weiden und Sophora japónica beschatten
die zahlreichen Dörfer, in welchen sich das regere auch
bei uns die Nähe der grossen Stadt bekundende Treiben zeigte.
Staub und Hitze waren beträchtlich; die Pferde wateten in tiefem
Sande. In dichte Staubwolken gehüllt, den Wachen völlig unsichtbar,
ritten wir um halb sechs durch das Ostthor der Chinesenstadt
nach P e - k in hinein; unangefochten zogen wir weiter. Die Kärrner
sollten uns nach einer chinesischen Herberge bringen. A - ts o n , der
seit Singapore mit uns war, begriff leicht das Geheiss, wurde aber
als Südchinese von jenen ebensowenig verstanden als wenn er
deutsch redete. Einen anderen Dolmetscher hatten wir nicht. Nun
führten uns die Kärrner in die T a rta ren -S tad t und vor die englische
Legation, in dem Glauben, wir wollten dort bleiben. En d lich
gelang e s , sie zu belehren, und dann ging der Weg zurück in
die grosse Hauptstrasse der Chinesenstadt, wo mehrere Männer
uns lebhaft winkten, in ihr Haus einzutreten. Sie trugen emsig
unser Gepäck in das Obergeschoss des Hinterhauses, fragten nach
unseren Wünschen und brachten Thee, Apricosen, Milch und Eis
herbei, lauter wünschenswerthe Sachen, die unsere Vorräthe angenehm
ergänzten. Es war auch hier recht schmutzig, doch lagen
wir bald im tiefsten Schlaf. Irrten wir doch nach dem Ritt von
acht Meilen in glühender Sonne noch über eine Stunde im Gewühl
der staubigen Gassen umher.
Am folgenden Morgen regnete es. Wir Hessen Droschken,
d. h. Mault hierkarren holen, deren zu diesem Gebrauch an allen
Strassenecken steh en , und führen zunächst nach dem im Süden der
Tartarenstadt gelegenen Hauptgebäude der russischen Mission, in
der Hoffnung, dort den Secretar des Gouverneurs von Ost - Sibirien,
Herrn von Bützow zu finden, der uns in Te en -tsin besuchte. - Von
den anwesenden Missionaren sprach nur einer, Herr Papow, etwas
französisch, alle übrigen nur russisch und chinesisch. Herr von
Bützow war in dem ändern Missionshause im Norden der Tartarenstadt
und im Begriff, nach K ia k t a abzureisen; der Attaché von
Brandt bat ihn brieflich um eine Unterredung. — Auf Befragen
sagte uns Herr Papow, dass ganz in dèr Nähe ein geräumiges
Grundstück liege, dessen Eigenthümer, ein Mandarin aus der kaiserlichen
Eamilie, die Russen täglich mit Bitten bestürme, e s 'z u
kaufen; er fürchtete von der Regierung gezwungen zu werden, es
der daran grenzenden englischen Gesandtschaft zu niedrigem Zinse
abzutreten. Wir baten Herrn Papow, den Besitzer ausforschen zu
lassen, und begaben uns nach der nahgelegenen französischen Legation.
Der Gesandte, Herr von Bourboulon empfing uns.höflich,
legte jedoch des Grafen Eulenburg Schreiben uneröffnet bei Seite
und sprach von gleichgültigen Dingen; auch Graf Kleczkowski und
der zweite Secretär Herr de Meritens vermieden, nach dem Zweck
unserer Sendung zu fragen; wir nahmen Theil am gemeinsamen
Frühstück und kehrten dann nach der russischen Mission zurück,
wo unterdess Herr von Bützow eingetroffen war, gestiefelt und gespornt
zur Reise in die Tartarei. — Der Besitzer jenes Hauses
hatte eingewilligt, uns dasselbe zu überlassen, aber ohne formelles
Abkommen und bestimmten Miethspreis; unter der Hand erfuhr
man, dass er etwa hundert Dollars monatlich erwarte. Auf den
Rath der Missionare, mit denen Herr von Bützow sich russisch be-
rieth, gingen wir nach dem kaum tausend Schritt entfernten Grundstück;
offenbar dazu angewiesen, führte uns der Pförtner
durch die um mehrere Höfe gruppirten etwas baufälligen Räume.
Der Eigenthümer, der in einer anderen Gegend wohnte, schien
eben dagewesen zu sein; der Pförtner wusste durchaus Bescheid
und zeigte keine Spur von Ueberraschung, als die Russen ihm erklärten,
dass wir das Haus gemiethet hätten. Herr von Brandt
blieb gleich dort, während ich nach der Herberge zurückfuhr, den
Wirth zu bezahlen und das Gepäck zu holen. Unsere Installirung
war vollendete Thatsache und konnte nicht mehr hintertrieben werden,
als die Behörden sie erfuhren; und darauf kam es an.
Herr von Bützow, der lebhaften Antheil zeigte, nahm in der
neuen Wohnung von uns Abschied und tra t seine Reise an. Dann
gingen wir zu unseren Nachbarn in der englischen Legation. Herr
Bruce war sehr überrascht und nicht ohne Bedenken über Graf
Eulenburg’s Plan, versprach aber seine beste Hülfe; er billigte den
Gedanken, sofort das gemiethete Haus einzurichten, und stellte dazu
seinen eigenen Comprador und mehrere Arbeiter zur Verfügung;
im freundschaftlichsten Ton lud er uns für alle Mahlzeiten an seinen
Tisch.' Ebenso zuvorkommend empfingen uns die anderen Mitglieder
der Gesandtschaft. — Nachmittags sandten wir einen Courier
nach T i £ n - t s i n , um Graf Eulenburg unsere Erwerbung zu melden.
Am folgenden Morgen kamen die bestellten Handwerker,
Maurer, Tapezirer, Tischler, Lackirer, etwa vierzig Mann, und gingen