
Verhältnisse, welche Herrn Marques gänzlich fehlte, Herrn de Me-
ritens aber befähigte, sich auf den Standpunct der preussischen
F orderungen zu stellen und sie durch plausible Gründe zu unterstützen,
machten ihn zu diesem Amte sehr geeignet. — Graf Eulenburg
liess nun zunächst das Schreiben der Commissare vom 29. Juli
unbeantwortet, was dieselben sehr beunruhigte. Sie schrieben täglich
an Herrn de Meritens oder liessen ihn um Unterredungen
bitten, um nach dem Eindruck ihres Schreibens und der wahrscheinlichen
Antwort zu forschen, und liessen sich allmälig einreden, dass
Graf Eulenburg sehr aufgebracht, und an Fortsetzung der Verhandlungen
garnicht zu denken sei, wenn sie nicht den grössten
Theil ihrer Einwendungen zurückzögen.
Auf des Prinzen Note antwortete der Gesandte unter Wiederholung
seiner Argumente abermals ablehnend, und erbot sich
nur die rücksichtvolle Erwägung der eventuell für den weiteren
Aufschub geltend zu machenden Gründe seitens der preussischen
Regierung in einem amtlichen Schreiben an den Prinzen zu versprechen.
Dieser fügte sich endlich. In einer langen Note erklärte
er dem Gesandten am 2. August, dass auf die von demselben genannte
Bedingung der Separat-Artikel in dessen Fassung angenommen
werden solle.. E r begründet und entschuldigt gleichsam den
bis dahin geleisteten Widerstand: »der Prinz fühlt das Bedürfniss,
nachdem er sich die Vorstellungen des Grafen zu eigen gemacht,
.seiner Excellenz zu erklären, dass er bei dem Verlangen, die erwähnten
Versicherungen im Separat-Artikel niedergelegt zu sehen,
nur den Gedanken h atte, in definitiverWeise alle Eventualitäten zu
regeln, die zwischen den beiden Regierungen eintreten könnten.«
Somit wurde Preussen das wichtigste Ehrenrecht eingeräumt,
— ohne welches nach den früheren Erfahrungen alle Verträge mit
China illusorisch waren, — trotz den Erklärungen des englischen
und des französischen Gesandten, welche die Gewährung anfangs
unmöglich glaubten. Unzweifelhaft haben Herr von Bourboulon
und besonders Herr Bruce, dessen Unlust zu schreiben ihn ganz
unthätig erscheinen liess, Graf Eulenburg’s Forderungen lebhaft
unterstützt; wahrscheinlich hätte es aber so harten Kampfes garnicht
bedurft, wenn nicht die Dolmetscher von vorn herein geäussert
hätten-, auf politische Rechte werde Preussen keinen Anspruch
machen. Des Grafen zähe Willenskraft wirkte auch hier entscheidend:
ernstlich redeten die beiden Gesandten erst nach unserem Attentat
auf die Hauptstadt seinen Forderungen das W o rt, und wurden darin
von dem russischen Minister-Residenten, Oberst von Balluzek, welcher
in der zweiten Hälfte des Juli nach P e - kin kam, kräftig unterstützt.
Die Commissare baten Herrn de Meritens schon nach wenigen
Tagen, den Gesandten zu besänftigen: sie wollten die meisten Einwendungen
gegen den revidirten Entwurf gänzlich fallen lassen.
Graf Eulenburg beantwortete darauf am 3. August ihre Schreiben,
hielt ihnen ihren Wankelmuth vor, und erklärte sich zu einigen
formellen Aenderungen bereit, sofern der Sinn und Inhalt der Bestimmungen
darunter nicht litte. Zugleich meldete er den Com-
missaren, dass Herr de Meritens Herrn Marques als Dolmetscher
vertreten werde. — Von da an war der Gesandte der langen unfruchtbaren
Conferenzen enthoben; er konnte nach gehöriger In-
struirung Herrn de Meritens die mündlichen Verhandlungen mit
Sicherheit überlassen. Auf den 7. August sagten die Commissare
sich zum Frühstück an und thaten dabei sehr freundschaftlich.
Geschäftliches wurde kaum besprochen, denn auch sie zogen die
Vermittelung des französischen Secretärs dem directen Verhandeln
vor. Des Chinesischen vollkommen mächtig einigte sich derselbe
leicht mit ihnen über formelle Aenderungen, .welche grossentheils
auf sprachliche Eleganz zielten, und setzte in allen wesentlichen
Puncten die Forderungen des Gesandten fast bedingungslos durch 1
Die Qualität der Consuln, die Gültigkeit des deutschen Textes und
das Recht der Deutschen, im Inneren von China zu reisen, boten
dabei die grössten Schwierigkeiten.
Im ersten Punct setzte Graf Eulenburg trotz heftigen Widerstandes
der Chinesen durch, dass eine Verpflichtung der preussischen
Regierung, nur Beamte, nicht Kaufleute zu Consuln zu ernennen,
im Vertrage nicht ausgedrückt würde; er versprach dagegen in
einem amtlichen Schreiben, dem königlichen Minister des Auswärtigen
die Nothwendigkeit der Ernennung von diplomatischen Consuln
vorzustellen, welche durchaus in den Verhältnissen begründet
war. — Das Recht der Hansestädte auf gesonderte consularische
Vertretung in einem Separat - Artikel auszudrücken, erlaubten die
Commissare nur unter der Bedingung, dass derselbe im Text des
Vertrages nicht erwähnt werde, und dass seine Ratification in der
des Vertrages mit eingeschlossen sein solle. Sie hielten sich dabei
an die Präcedenz des englischen und des französischen Vertrages,
hei welchen es mit den Separat-Artikeln ebenso gehalten wurde.