
ABREISE VON TIEN-TSIN. REISE DER ARKONA VON DER
PEI-HO-MÜNDUNG NACN NANGASAKI UND HONG-KONG.
VOM 7. OCTOBER BIS 11. NOVEMBER 1861.
T i e n - t s i n erschien uns nach den grossartigen Eindrücken von
P e - k i n noch unerträglicher, ein Pfuhl von Schmutz und Elend;
wir rüsteten schnell zur Abfahrt. Der Aufbruch war allgemein:
ein Theil der englischen Garnison segelte schon nach H o n g - k o n g ;
Eane’s Reiter schilften sich eben ein; nur ein kleiner Theil der
Truppen sollte den Winter über bleiben. Die Rebellen von S an -
t u n standen in erschreckender Nähe; man fürchtete das Schlimmste,
wenn T i e n - t s i n von fremden Truppen ganz entblösst würde.
Seit dem 3 . October lag die Arkona wieder vor der P e i - h o -
Mündung.; Am 11. machten der Gesandte und seine Begleiter
T s u n - h a u ihren letzten Besuch, welchen derselbe am folgenden
Tage früh um sechs U h t erwiederte. Nach herzlichem Abschied
von unseren englischen Nachbarn schilften wir uns dann auf dem
Kanonenboote Clown ein, das Admiral Sir James Hope dem Gesandten
zur Verfügung stellte. Der Fluss lag dicht voll Dschunken;
ein Boot war vorausgegangen, um den Weg zu bahnen; so eng sich
aber die Chinesen zusammendrängtenV- blieb doch nur ein schmaler
Wasserstreifen frei, auf dem der Clown sich wie ein Aal hindurchwand.
Es war ein frischer heiterer Herbstmorgen; durch leichten
Nebel goss die Sonne röthliche Strahlen über den dichten Mastenwald
mit tausend bunten phantastischen Wimpeln; schläfrig blinzelten
uns die bezopften Schiffer a n , die der Clown so früh aus
der Ruhe störte. --- In freies Wasser gelangt sauste er mit der
Ebbe pfeilschnell dahin. Das frohe Bewusstsein, dass wir der Hei-
math zueilten, erhöhte den Genuss der Fah rt; die schwerste Arbeit
war gethan, in Siam erwartete den Gesandten kein ernster Widerstand;
dem fernsten Ziel der Reise wandten wir den Rücken, jed e r
Schritt brachte uns je tz t der Heimath näher.
Den P e i - h o belebten auf der ganzen Strecke viele Dschunken
von den südlichen Küsten, auch siamesische mit Reisladung, Als
der Clown Nachmittags die Mündung erreichte, verbot der niedrige
Wasserstand die F ah rt über die Barre; erst mit der Fluth am folgenden
Morgen konnte er hinüber. Graf Eulenburg und seine Begleiter
nahmen deshalb die gastfreie Einladung des englischen
Commandanten von T a -k u , Major Eager und seiner Kameraden
vom 31. Regiment au, die Nacht über ihr Quartier im südlichen
Aussenfort zu theilen. — Am Nachmittag stattete der Gesandte
dem französischen Commandanten Capitän Bourgois einen Besuch
im äusseren Nordfort ab, und wurde bei seiner Rückkehr
in das englische Quartier mit einem Salut von fünfzehn Schüssen
empfangen, den die über eine Meile entfernte Arkona sofort
erwiederte.
Zur Besichtigung der historisch merkwürdigen Festen gab
es volle Müsse. Die Lage ist trostlos eine unabsehbare braune
Wüste mit Salzlachen, das flache sumpfige Ufer bespült von trüben
Wellen. Kaum eine halbe Stunde flussaufwärts von der Mündung
liegt der grosse Flecken T a - k u , eine lehmgraue Iläusermasse. Die
Wälle der beiden äusseren unmittelbar an der Flussmündung liegenden
Werke werden bei Hochwasser vom Meere genetzt; zur Zeit
der Ebbe bleibt ein breiter Streifen tiefen Schlammes frei, welchen
mehrere den Wällen parallele Gräben und zwei Reihen von Wolfsgruben
durchfurchen. Zum Ueberfluss hatten die Chinesen über
diesen Strand Tausende eiserner »Krähenfüsse« ausgestreut, welche
in jeder Lage eine Spitze nach oben kehren.
Die Werke selbst sind ganz aus Lehm und Holz; ein dicker
Erdwall mit Zinnen, in welchem gedeckte Kanonenräume liegen,
bildet die Enceinte. Im südlichen Aussenfort, dessen Grundriss
länglich und unregelmässig ist, läuft auf der Landseite noch ein
zweiter etwas höherer Wall, der die Bedienungsmannschaften vor
dem Feuer der Schifte sichern sollte, innerhalb mit der Enceinte
parallel. Vier Cavaliere überragen letztere in diesem Fort um das
Doppelte; das französische am Nordufer h a t deren zwei. Im Innern
der Werke stehen Reihen von Lehmhütten gleich umgestürzten
Backtrögen, wo die chinesische Besatzung wohnte. Wie weit diese
das Vertrauen ihrer Führer genoss beweist das Geständniss eines
höheren Officiers. dass die TA-KU-Werke. welche 1858 und 1859
auf den Flanken und im Rücken offen waren, nicht zur Abwehr