
Jongleure und Taschenspieler, deren tolle Geschicklichkeit oft
Grauen und Ekel erregen, zeigen sich auf den Strassen: das Verschlucken
yon Nähnadeln, die nachher auf einen Eaden gereiht
durch die Nase wieder zum Vorschein kommen, soll ein gefährliches
Kunststück sein, an welchem Mancher zu Grunde g eh t; ganz
harmlos ist dagegen das beliebte Köpfen, bei welchem das breite
Schwert im Nacken des Schlachtopfers stecken bleibt und ein
Blutstrom aus der scheinbaren Wunde quillt. — In der Seitengasse
vergnügt sich ein Kreis erwachsener Männer mit dem Federball,
den sie mit den Füssen durch die Luft jagen und mit unfehlbarer
Geschicklichkeit oft Viertelstunden lang fliegend erhalten. Wo es
still ist in P e - k in hört mau vom Himmel herab ein sonderbar h armonisches
sanftes Pfeifen: das sind Schwärme von Tauben, denen
die Pekinger, pif|l vielleicht um Raubvögel abzuschrecken, — kleine
Pfeifen unter den Schwanz binden, welche beim Fluge beständig
tönen.
Zerlumpte blinde Bettler ziehen, einen sehenden an der
Spitze, truppweise im Gänsemarsch durch die Strassen, die eine
Hand auf die Schulter des Vordermannes gelegt, in der anderen
den Stab haltend.. Dort kauert ein Schuhflicker mit ambulanter
Werkstatt, hier ein Wahrsager mit kabalistischem Apparat; daneben
räumen schmutzige Kerle den geheimen Inhalt einer besonderen
Art Strohhütte aus, deren Dasein die Nase in allen Strassen ahnt.
In schattigem Winkel lagert ein Haufen Bettler, leidenschaftlich in
die Karten vertieft; ein Trödler hat seinen ganzen Kram von Thee-
kannen, Pfeifen und buntem Allerlei auf der Erde ausgebreitet.
Höker mit Leckereien sitzen an jed e r Ecke, ein Glücksspiel vor
sich, auf welches selbst das naschende Kind seinen Heller'setzt;
denn der kleine Chinese äfft alle Leidenschaften des grossen nach.
Auch Pfandleihe ist ein Lieblingsspiel: mit mächtiger Brille auf der
Nase entwickelt der kleine Verleiher unglaublichen Aplomb in geringschätziger
Behandlung der von den Spielgefährten gereichten
Pfänder. Im bürgerlichen Leben des Chinesen h a t. nämlich die
Pfandleihe als einzige Art von Creditanstalt hohe Wichtigkeit: 1860
fänden die englischen Truppen in den Leihämtern grosse Schätze
aufgehäuft; aller Orten sind sie kenntlich an dem vor dem Hause
aufgestellten Pfosten mit einem Drachenkopf auf halber Höhe. —
Ein anderes Lieblingsspiel ist das Köpfen, das viele Kinder aus
eigener Anschauung kennen und sehr geschickt nachzuahmen wissen.
Die grausame oft in Schadenfreude ausartende Indifferenz des Chinesen
gehört zu seinen hässlichsten Zügen. Gewohnheit mag ihr
Mitgefühl abstumpfen, denn Todesstrafen werden beständig auf
den belebtesten Plätzen, oft in grösser Anzahl vollzogen. Aber
beide. Tliatsachen, das brutale Hinschlachten wie die Gleichgültigkeit
der Zuschauer bekunden doch die Rohheit der chinesischen
Cultur. — Mitglieder der französischen Gesandtschaft kamen eines
Morgens spazierenreitend auf einen Marktplatz der Chinesenstadt
und gewahrten, an hohem Gerüst in Käfigen aufgehängt, über fünfzig
blutige Häupter von Verbrechern, die den Tag zuvor dort hingerichtet
waren. Einige Tage später war die -L u f t ringsum verpestet;
viele Käfige hatte der Wind zerbrochen, manche Köpfe hingen
an den Zöpfen herunter, andere lagen am Boden: — trotzdem
nahm der Markt seinen ruhigen Fortgang; man feilschte, schalt und
lachte; die grässliche Nähe schien Niemand zu stören.
Auf diesen Märkten, die gewöhnlich an der Kreuzung zweier
Hauptstrassen abgehalten werden, lässt sich die Landbevölkerung
der Umgebung .beobachten, stämmige Gestalten mit breitrandigem
Strohhut, deren gebräunte Haut angenehm gegen die fahlen Stadtgesichter
absticht. Bauern und Bäuerinnen sitzen, ihr Pfeifchen
rauchend, auf Holzschemeln oder Matten, vor sich mannshohe
Haufen von Kohlköpfen, Zwiebeln und anderen Gemüsen, auch
allerlei Fleisch und Wildpret. Alte steife Maulthiere und struppige
E se l, welche die Waaren zu Markte schleppten, treiben sich unge-
fesselt dazwischen herum und suchen ein Maul voll Grünes zu
stehlen.
Der rege Verkehr beschränkt sich in P e - k in ganz auf die
Hauptstrassen. Die .Chinesenstadt h a t deren nur drei von Süden
nach Norden laufende und eine dieselben kreuzende, welche das
östliche .Thor mit dem westlichen -.verbindet. Besonders in der
mittelsten auf das Himmelsthor mündenden Strasse drängt sich früh
und spät eine bunte emsige Menge; das ameisengleiche Treiben macht
durchaus, den Eindruck grossstädtischen commerciellen Lebens. In
der That soll der Grosshandel von P e - k in seinen Sitz vorzüglich
in der Chinesenstadt haben, wenn auch deren Kaufläden hinter
vielen der Tartarenstadt an Eleganz weit zurückstehen. Die meisten
Häuser jener dreifachen Strasse sind dunkel, schmutzig und verfallen,
der Reiehthum liegt hier nicht zu Tage; nur an ihrem nördlichen
Ende sieht man Fagaden mit hohen Säulen und goldenem Schnitzwerk.
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