
pyramidalem Aufsatz, auf jed e r Ecke ein runder spitzzulaufender
Thurm, über und über mit Sculpturen geschmückt. Ein Buddabild
sitzt in einer tiefen Nische über dem Eingang, Innen steigt eine
breite Treppe hinan, die sich in zwei Arme getheilt bis zum ersten
Stockwerk fortsetzt; von da führt eine endeltreppe bis zu der
mit Geländern umgebenen Plateform, wo der Tempel und die
Thürme stehen. Die Aussicht ist prächtig. Rechts und links -senken
sich Bergrücken h e ra b , — wie die Flügel eines riesigen Theaters,
— bedeckt mit Dörfern, Gärten, Schlössern und Warten; im Winkel
der Ebene ein schlängelndes Flüsschen, weiterhin die Seen und
Hügel von Y u a n - m in -.y u a n , in der Ferne die langen Linien von
P e - k in und am äussersten Horizont die Pagode von T u n - t s a u . Vor
dem Monument steht ein reiches Portal, halb indisch, halb chinesisch;
über die Wipfel dieser Terrasse sieht man auf die zahlreichen Tempel
und Portale hinab, die symmetrisch um die zur Höhe führende
Treppe geordnet sin d ; viele andere bunte Dächer liegen im dichten
Wipfelgrün der Abhänge eingebettet. Der Reichthum der Aussicht
ist unbeschreiblich.30)
In einem der Tempel, die wir besahen, wiederholt sich das
Curiosum der tausend gleichgestalteten Götzengruppen. Ein anderer
bildet ein grosses Pantheon. Der Grundriss ist quadratisch: vier
breite Gänge laufen die Seiten entlang, zwei andere kreuzen sich,
auf diesen senkrecht, im Mittelpunct; zu beiden Seiten der Gänge
stehen in dichter Reihe die eolossalen Bildsäulen von 500 Wohl-
thätern des Menschengeschlechtes. Der Ausdruck der Gesichter
ist theils fröhlich, jovial, oft fratzenhaft verzerrt, theils ernst und
beschaulich; sehr lustig wirken neben den schwungvollen phantastischen
Gestalten der asiatischen Heroen die steife Haltung und
knappe T ra ch t der von den Chinesen unwillkürlich carrikirten europäischen
Krieger und Weisen.
Die freundlichen Bonzen räumten der frühstückenden Gesellschaft
einen weiten Saal ein, verschmähten aber alle Theilnahme
an dem lucullischen Mahl. Bald nach drei brachen wir auf und
schlugen einen nördlicher liegenden Weg ein, der uns unter die
Mauern des westlich an Y u a n - .m i n - y u a n grenzenden Parkes Y u -
k i u a n * t s a n führte. Ein hoher Erdwall um die ganze Anlage soll
die Schlossgärten profanen Blicken verbergen; uns diente er als
Standpunet. Vor uns lag der schilfbedeckte See S i - h o mit dem
30] S. Ansichten aus Japan, China und Siam YIII.
Berge Yu- kiuan- tsan am Westufer. Seinen Doppelgipfel zieren
ein Tempel, eine hohe spitze Pagode und das Schloss T sin-min-
yuan. Des Berges Namen bedeutet »köstliche Quelle«; eine solche,
deren Wasser die Kaiser trinken, entspringt an seinern Abhang. —
Mitten im See liegt, durch eine Marmorbrücke mit dem Ufer verbunden,
ein Insel-Palast; ein anderer im italienischen Styl, den die
Kaiser mit Vorliebe bewohnten, wurde 1860 zerstört; er lag au f
dem Berge des langen Lebens W un- tsen- tsan am nordöstlichen
Ufer; je tz t steht nur noch der massive Grundbau. — Das eigentliche
Yuan-min- yuan, der Garten der vollkommenen Klarheit am
Ostufer des Sees lag vor unseren Blicken versteckt; die Gesandten
von England und Frankreich vermieden, wie gesagt, jeden Besuch
dieser Stelle. Die schriftgelehrten Chinesen der englischen Gesandtschaft
sprachen noch immer mit grösster Wehmuth von der
Zerstörung der Schätze: hätte man sie wenigstens geraubt, dann
wären sie doch erhalten; das Fortgeschleppte stehe an Menge und
Werth ganz ausser Vergleich zu dem Zerstörten; nicht der Kaiser
allein sei von-dem Verlust betroffen, sondern viele Familien der
Hauptstadt, die der grösseren Sicherheit wegen ihre Kostbarkeiten
nach Yuan- min- yuan geflüchtet hätten. — Dass eine Menge der
werthvollsten Sachen in der That unbeachtet blieben, beweist die
Zertrümmerung vieler grösseren Stücke, deren Masse eben der Grösse
wegen für Bronce gehalten wurde; Bruchstücke davon, die Einzelne
einsteckten, erwiesen sich als massives Gold. Han- ki schätzte
den Verlust auf acht Millionen Tael. Der Kaiser entführte aus
Yuan - min - yuan nur die Gedenktafeln seiner Ahnen. — Im
ganzen Reich wurde die Zerstörung als ein schweres Verhängniss
betrauert. Die chinesischen Schriftgelehrten leugneten auch h a rtnäckig
die Theilnahme des Kaisers an der Misshandlung der Gefangenen:
»die Engländer hätten die Ausheferung Su - tsuen’s und
seiner Genossen fordern und an diesen grausame Rache üben
sollen.« •
Auf dem. Rückweg kreuzten wir die . von Y u a n - m in - y u a n
nach dem Thore S i - t s i - m e n der Tartarenstadt führende Strasse
und das Flüsschen K a o - l ia n - h o , das, aus dem Si-HO-See kommend,
die Gräben ,und Becken in P e - k in speist.^ÄgEs dunkelte
als wir heimkehrten.