
hatten, demselben sehr zugethan. Er galt in P e - k i n als re ch tschaffener
verständiger Mann, der, allen sonst in den hö.chsten
Schichten der chinesischen Gesellschaft verbreiteten Lastern fremd,
ein glückliches Familienleben führte; die Bevölkerung schätzte und
liebte ihn. Dieses Bewusstsein und die Einsicht, dass es sich nicht
allein um seine Existenz, sondern um die Herrschaft seines Hauses
handele, mögen ihn veranlasst haben, trotz jenem Erlass nach
D z e h o l z u gehen. — Denn ganz abgesehen von dem persönlichen
Ehrgeiz der Männer im Regentschaftsrath, welcher das Schlimmste
befürchten liess, konnten ihre politischen Tendenzen nur zum Bruch
mit den fremden Mächten, zu neuem Kriege führen, welchen
die T sin - Dynastie schwerlich überstanden hätte. Gewiss förderte
die moralische Unterstützung der fremden Diplomaten wesentlich
den Entschluss des Prinzen zur Reise nach D z e h o l , welche den
Grund legte zur späteren günstigen Entwickelung. Er verliess die
Hauptstadt am 1. September und kehrte am 15. dahin zurück.- jjb in
jüngerer Brud.er, der Prinz von T s u n , reiste entweder damal^Tnit
ihm oder etwas später nach D z e h o l , und blieb, weitere Maassregeln
vorbereitend, bei den Kaiserinnen und dem Thronerben. Deren
Rückkehr nach P e - k i j i z u betreiben, welcher sich die Regentschafts-
rätlie mächtig widersetzten, erklärte der Prinz von K u n ganz offen
als den Hauptzweck seiner Reise. Eines der ersten D e crete. des
jungen Kaisers, wonach derselbe zu den Exequien seines Vaters
nach der Hauptstadt kommen wollte, war gewiss unter dem Einfluss
der Kaiserinnen erlassen. Es erschien schon vor des Prinzen
Abreise in der Zeitung von P e - k i n , bot aber nach dessen Aussage
keine Gewähr der Erfüllung. Wie klug derselbe seine Fäden spann,
h a t die Folge bewiesen. Sein sicheres Auftreten liess aber schon
damals den Entschluss vermuthen, mit seinen Gegnern abzure^men.
Das Frühstück, das die ■chinesischen Commissare dem Gesandten
und seinen Begleitern am 3. September gaben, unterschied
sich in der Qualität kaum von den früheren, dauerte aber drei Stunden.
Zwei jüngere Mandarinen, welche englisch sprachen,.brachten
etwas Leben in die Unterhaltung. Der eine war in den Vereinigten
Staaten, England und Frankreich gereist, und redete davon mit
Bewunderung. Der andere, im Zollafnt für den fremden Handel
beschäftigt, sprach sehr freimüthig über die verschiedene Art der
Steuererhebung, und gab der hergebrachten inländischen weitaus
den Vorzug. Die chinesischen Zollämter für den inländischen
Handel haben nämlich keine Tarife; die Einkünfte sind verpachtet,
und der Beamte erpresst vom Kaufmann, so viel er irgend kann.
Die Zölle für den ausländischen Handel normirt dagegen ein fester,
den Verträgen angehängter Tarif. Das gefiel dem jungen Manne
nicht: »In english customhouse me get. wages, me no can squeeze;
Consul lite Mr. Bluce, Mr. Bluce teil Plince Kung, Plince Kung
my cut off button. No cut off head, bu t cut off button« — nämlich
den Mandarinenknopf, das Zeichen der Würde. »Chinese customhouse
no get wages; pay empelol, squeeze melchant.« E r erzählte
begeistert, dass T s u n - l u e n als Zollpächter in T i e n - t s in jährlich
nur 100,000 T a e l bezahlt, aber 320,000 T a e l eingenommen habe;
könne der Beamte nicht zahlen, so werde er eingesteckt und sein
Eigenthum confiscirt.
Gern wäre der Gesandte gleich nach Abschluss des Vertrages
nach dem Süden von China und weiter nach Siam gegangen;
September ist aber einer der gefährlichsten Monate in den chinesischen
Meeren, wie uns der Verlust des Frauenlob leh rte ; auch
ist das Klima von H o n g - k o n g und B a n k o k selbst im October
noch so verderblich, dass für die Schiffsmannschaft übele Folgen
zu befürchten waren. Graf Eulenburg beschloss deshalb auf die
Einladungen des russischen und des französischen Gesandten, zunächst
P e - k in zu besuchen. T s u n - l u e n und T s u n - h a u waren
darüber sehr bestürzt, strebten aus allen Kräften die Reise zu hintertreiben
, und beschworen endlich den Gesandten seinen Besuch
sö einzurichten, dass er keinen amtlichen Charakter trüge. — Nach
chinesischer Etiquette musste T s u n - l u e n bis zu des Grafen definitiver
Abreise in T i e n - t s in bleiben; auf dessen lebhafte Vorstellungen
entschloss er sich aber schon in den nächsten Tagen nach P e - k in
zurückzukehren und dem Prinzen von K u n ein Schreiben zu überreichen
, in welchem der Gesandte seine Genugthuung über das
vollendete Vertragswerk, seinen Dank für das gezeigte Entgegenkommen
aussprach, und erklärte, dass T s u n - l u e n , — der solcher
Entschuldigung zu bedürfen glaubte, — nur auf seine dringende
Bitte T i e n - t s in vor ihm verliesse. Seinen Besuch in P e - k in kündigte
Graf Eulenburg zugleich in kurzen Worten an, und äusserte
IV. 7