
Graf Eulenburg und seine Begleiter auf Tragstühlen durch
dichte Volkshaufen nach einer grossen Halle gebracht, wo siamesische
Musikanten eine Fanfare bliesen; unter den zum Empfang
dort versammelten Hofbeamten war ein Franzose, der, früher
Sergeant in der Armee seines Vaterlandes, Herrn de Montigny,
welcher den Vertrag schloss, als Koch und Kammerdiener nach
S ia m begleitete. Im siamesischen Kriegsdienst fungirte er als
Instructeur der Recruten des Zweiten Königs, trieb aber, wie die
Consuln erzählten, nebenbei noch ■ immer die edele Kochkunst,
indem er gegen ein Honorar von 50 Dollars die Bereitung jedes
europäischen Diners zu übernehmen pflegte, das die Könige, die
Prinzen oder fremde Kaufleute gaben. E r schien bei Hofe grosses
Ansehn zu gemessen und äusserte sich über seine Stellung sehr
zufrieden, zugleich aber bescheiden und verständig. Die von ihm
instruirten Artilleristen feuerten zu Ehren des königlichen Schreibens
sehr präcis einen Salut von 21 Schüssen; ein Product seiner
Kochkunst wurde eben in der Empfangshalle aufgetragen, als Graf
Eulenburg und seine Begleiter — nach längerem Warten — zum
Könige beschieden wurden.
Das Empfangszimmer des im Umbau begriffenen Palastes
war hübsch und behaglich, aber nicht fertig eingerichtet; der König
machte darüber viele Entschuldigungen. E r trug einen blauen
Ueberrock mit goldenen Knöpfen, weissseidene Beinkleider und
Pantoffeln von Leder. Das Streben nach europäisch civilisirtem Anstrich
zeigte sich besonders auffallend darin, dass der König selbst,
sein Sohn und mehrere seiner Beamten kein Betel kauten. — Auf
reinlich gedeckten Tischchen standen Erfrischungen, Kuchen und
Früchte; auch Cigarren wurden angeboten. Nach Ueberreichung
des königlichen Schreibens stellte Graf Eulenburg seine Begleiter
vor. Der König sprach und verstand viel besser englisch als M a h a
M o n k u t , verbarg aber unter lebhaften Gebehrden und lautem Lachen
ein gewisses Missbehagen; — er soll hypochondrisch und stark
dyspeptisch gewesen sein und wusste genau, wie seit zehn Jahren
sein Puls ging; Dr. Lucius wurde alsbald in einer anstossenden
Veranda consultirt und. zu einem Besuch auf den folgenden Tag
eingeladen. Die'Kathschläge der europäischen Aerzte, die der Kö-
nig bei jed e r Gelegenheit einzuholen pflegte, blieben aber ganz
unwirksam, da doch schliesslich nur die Arzneien der eingebornen
Quacksalber in ungeheurer Dosis geschluckt wurden.
Zur Unterhaltung zeigte der König dem Gesandten eine
Sammlung europäischer Schiessgewehre, deren Construction er sehr
genau kannte: eine von der Königin Victoria geschenkte Muskete,
eine Büchse vom Kaiser Napoleon, Zündnadel-, Minié- und Lancaster
Büchsen, Revolver der verschiedensten Art, Lefaucheux-
Jagdflinten und andere Gewehre mit ungewöhnlichen Einrichtungen,
die er geschickt zu handhaben und zu erklären wusste. Seine
Zündnadelbüchse war,eine englische Nachahmung der preussischen
mit geringen Aenderungen; der König wünschte aber dringend, eine
echte preussische zu besitzen, ein Verlangen, dem damals von Seiten
des Gesandten und des Commodore nicht entsprochen werden
konnte. — Unter dem Usurpator, seinem Halbbruder, der bis 1851
regierte, war der zweite König Inspecteur der Artillerie gewesen und
hatte von englischen Ingenieuren, mit denen er die Werke bei
P a k n am baute, das Englische erlernt. E r besass eine gute Bibliothek,
las mit Vorliebe Romane von Dickens und galt als thätig, scharfsinnig,
ritterlich, jedem Fortschritt günstig. Diese Eigenschaften
sollen aber die Eifersucht seines älteren Bruders und Lehnsherrn
erweckt und keinen Wirkungskreis gefunden haben. Später kam
es zu offenem Zwist; der Zweite König versöhnte sich erst auf dem
Sterbebett 1865 mit M a h a M o n k u t , der ihn gleich nach der Thronbesteigung
1851 zu seiner Würde erhoben hatte.
Im Gespräch mit dem Gesandten äusserte der König grosse
Lust, die .preussischen Schiffe zu seh en , schützte aber Unwohlsein
vor; in Wahrheit hielt ihn wohl das peinliche Verhältniss zu seinem
Bruder zurück. Die Unterhaltung drehte sich lange um die
Reisen des Gesandten, um B a n k o k , P h r a b a t , A t u t ía , und wollte
kein Ende nehmen. Endlich empfahl sich Graf Eulenburg. — Unten
in der Empfangshalle mussten wir zu dem ungeniessbar gewordenen
Gabelfrühstück niedersitzen und machten dann einen Gang durch
die Gebäude. Der grosse Audienzsaal bot nichts Merkwürdiges;-
in den Kasernen hingen die geputzten Waffen in guter Ordnung.
Die Soldaten des Zweiten Königs, lauter Christen aus der anami-
tischen Colonie, hatten in ihrer Wachtstube ein Marienbild; die
Uniformirung war holländisch. Prinz Georges zeigte noch einen
sehr geschätzten Elephanten mit schwarzem Maul, — Erdelephanten
nannten ihn die Siamesen, — zwei Paviane und Marder von heller
Farbe und einen gelblichweissen Fisch, lauter vornehme Thiere.
Drei schwarze Vögel von der Art und Grösse der Drosseln ahmten