
auf. Im Sommer 1861 fiel nun das Papiergeld unter den dreissig-
sten Theil. seines Nominalwerthes, ja es kam vor, dass im Volksgedränge
an den Kassen die Notenbesitzer, um nur Münze zu haben,
einander unterboten, dass die Kassirer ruhig das niedrigste Angebot
abwarteten, während draussen Tausende harrten und bangten.
In Handel und Wandel wollte Niemand mehr Papiergeld nehmen.
Durch den Krieg und vorzüglich durch die Flucht des Kaisers,
welcher grosse Massen Reis nach D z e h o l kommen liess, stieg der
Preis dieses nothwendigsten, und in Folge dessen aller übrigen
Lebensmittel auf das Doppelte und darüber, während das coursirende
Tauschmittel werthlos wurde: so entstand denn bei den ärmeren
Classen bittere Noth, als deren Urheber S u -tstten vom Volke oifen
verflucht wurde. Amtlich konnte man ihn nicht belangen; die
Rechnungen waren verbrannt und seine Operationen so complicirt,
dass er sehr wohl die Schuld der übermässigen Ausgabe auf die
damit betrauten Banken schieben konnte, während diese wieder das
F inanz - Departement bezüchtigten. Die Regierung scheint sich
söhliesslich damit geholfen zu haben, dass sie den Aemterhandel ausdehnte
und sich bereit zeigte, einen bestimmten Theil der Kaufsumme,
der früher in Silber erlegt werden musste, jetzt in Papier
zu festem, wenn auch niedrigem Course anzunehmen. Dadurch
wurden die Reichen veranlasst, von den ärmeren Classen die Noten
aufzukaufen, welche die Regierung allmälig einzog. Trotz dem
grossen Schaden, den das Volk noch immer litt, hätte sich die
Aufregung zur Zeit unserer Anwesenheit in P e - k in gelegt. Uebrigens
coursirten die Noten nur in der Hauptstadt, nicht in der Provinz. —
Anders scheint es im 14. Jahrhundert gewesen zu sein, als die
Mongolenkaiser ihre chinesischen Unterthanen durch übermässige
Ausgabe von Papiergeld betrogen. In der Zwischenzeit kannte man
solches nicht in China. _ .
Die von der Bevölkerung der Hauptstadt geübte politische
Macht ist wohl eben so alt als das System des chinesischen Staates.
Dessen Grundprincip, dass die im Himmelssohne incarnirte sittliche
Weltordnung, kein Zwang die Handlungen der Menschen lenken
soll, ist mit der chinesischen Cultur unzertrennlich verwachsen und
überlebt jed e Dynastie. Umwälzungen, welche auf Umsturz oder
Modification dieses Systemes ausgehen, h a t kein chinesischer Kaiser
zu fürchten; es giebt dort nur Rebellionen, welche auf Beseitigung
einer nicht mehr als Himmelssohn anerkannten Person und ihres
Hauses gemünzt sind. Das halbe Reich mag in Flammen stehen
ohne dass die kaiserliche Autorität darunter litte. Erhebt sich
aber die Hauptstadt gegen den Herrscher, so ist seine Person
gefährdet. Nun ging die Hausmacht der Mandschu in der
Bevölkerung von P e - k iñ auf und nahm chinesische Cultur an;
aus einem Werkzeug wurde sie ein politischer Factor, mit
welchem der Hof zu rechnen hat. Wo es sich um keinen
Systemwechsel handelt, da entscheidet das persönliche Schicksal
des Herrschers; so müssen die chinesischen Kaiser eifrig
bedacht sein, sich die Gunst ihrer nächsten Umgebung zu
sichern.D
ass die Himmelssöhne von jeh e r mit der öffentlichen Meinung
ihrer Hauptstadt rechneten, beweist die Zeitung von P e - k iñ ,
die wahrscheinlich älteren Ursprungs ist als alle europäischen.
Sicher kennt man das Datum ihrer Entstehung nicht; Traditionen
setzen sie in die Zeit der 'S u ñ -Dynastie, die 1366 erlosch. In
den jüngst vergangenen Jahrhunderten spielte die Zeitung beständig
eine Rolle. Sie ist kein amtliches Organ im eigentlichen Sinne,
wohl aber bestimmt, die öffentliche Meinung zu leiten. Ihre Verbindung
mit der Regierung soll darauf hinauslaufen, dass, Beamte
den Herausgebern alle amtlichen Documente zur Publication zustellen
dürfen, welche ihnen nicht ausdrücklich als vertrauliche bezeichnet
werden; womit.einfach ausgesprochen ist, dass die Behörden
Stücke auswählen, — oder verfassen, — durch welche sie auf
die öffentliche Meinung wirken möchten. Die Zeitung von P e - k iñ
ist die einzige in China, sie wird im ganzen Reiche gelesen. In
der Hauptstadt erscheinen drei Ausgaben: eine in grossem Format
und rothem Umschlag alle zwei Tage publieirte soll nur amtliche
Documente und Bekanntmachungen enthalten; eine tägliche Ausgabe
in weissem Umschlag verbreitet sich über die in jenen Documenten
berührten Ereignisse; eine dritte wohlfeile Ausgabe ist ein
Auszug aus den beiden anderen. — Ausserdem erscheint vierteljährlich
ein amtliches »Roth-Buch« in sechs Bänden, zwei auf
das Heer und vier auf den Civildienst bezüglichen, in welchen die
Thätigkeit aller Staatsdiener beleuchtet wird. — Bei der vollkommenen
Freiheit, welche die Presse in ganz China geniesst, muss es
Wunder nehmen, dass nicht oppositionelle Zeitungen erscheinen.
Das Publicum h a t die Sache billiger: alle Handlungen auch der
höchsten Staatsbeamten werden in zahllosen öffentlichen Mauer