
das in langem Zuge 199 Bonzen, escortirt von * keulentragenden
Eunuchen des Harem nahten. Die Bonzen sangen: »Nimm dein
Mahl, doch sieh, es ist Staub. Iss um zu leben, dich kennen zu
lernen, was du hier unten bist. Und sprich stets zuZdir selbst:
Erde ist, was ich esse, damit ich der Erde neues Leben gebe.«
Dann traten sie alle der Reihe nach vor den König, seine Kinder,
Schwestern und Frauen, und empfingen deren Haben in ein eisernes
Becken, das jed e r Bonze an einer Schnur um den Hals hängend
unter dem Gewände tragen muss. Nachdem sie durch das »Thor
der Erde« abgezogen, verfügte der König sich mit der Familie in
den »zum Gedächtniss der Mutter« von ihm gebauten Privattempel,
stieg allein die Altarstufen hinan, läutete die Glocke, zündete die
Kerzen an , opferte weissen Lotus und Rosen, und brachte eine
Stunde mit Gebeten und Yorlesen aus den heiligen Büchern zu
Dann legte er sich wieder zur Ruhe, bewacht von einer neuen
Schaar Frauen; diejenigen der letzten Nachtwache kamen erst nach
vierzehn Tagen wieder an die Reihe, wenn sie nicht vorher ausdrücklich
befohlen wurden. Auf die Morgensiesta folgten einige
Stunden Arbeit, besonders Abfassung-englischer Briefe, darauf gegen
zwölf das Frühstück: der König sass dabei an einem langen
Tisch, neben dem zwölf Frauen des Harem, jed e mit einer silbernen
Schüssel standen, welche sie nach einander der ersten in der Reihe
hinreichten. Diese nahm den silbernen Deckel ab, kostete und prä-
sentirte, auf den Knieen heranrutschend,- dem König die verschiedenen
Suppen, Fleischsorten, Geflügel, Wild, Fische, Kuchen, Gelees,
irü c h te r Thee und Reis sind die obligaten Zuthaten jed e r
siamesischen Mahlzeit. - Um zwei Uhr badete und salbte sich der
König mit Hülfe seiner Frauen; nachher pflegte er eine Weile mit
seinen Kindern und Lieblingsfrauen zu scherzen, dann in der
Audienzhalle die Grossen zu empfangen und Staatsgeschäfte zu erledigen.
Nachmittags folgte die Hauptmahlzeit und Abends ein
leichtes Souper; um neun zog der König sich in seine Gemächer
zurück. Dass er aus Besorgniss vor mörderischen Anschlägen jede
Nacht in einem ändern Zimmer geschlafen habe, ist wohl eine E rfindung;
Mrs. Leonowens, die es gewiss erzählen würde, scheint
nichts davon zu wissen.
In seinen letzten Jahren soll M a h a - m o n k u t immer argwöhnischer
und besonders auf den Zweiten König sehr eifersüchtig'
geworden sein; es kam zu offenein Bruch zwischen den Brüdern,
als der ältere eine Anweisung des jüngeren auf den Schatz zurückweisen
liess. Seitdem zog sich der Zweite König zu dem in K s ie n -
mai residirenden L a o s -Fürsten zurück, den M a h a - m o n k u t bitter
hasste, heirathete dessen Tochter vmd baute sich dort ein Schloss.
1865 wurde er sterbend nach B a n k o k zurückgebracht und versöhnte
sich mit seinem Bruder. Man glaubte allgemein, dass eine Frau
des Harem ihn vergiftete; M a h a - m o n k u t selbst scheint dieses Gerücht
genährt zu haben: er liess die Concubine und ihren vermeintlichen
Helfershelfer foltern, in ein offenes Boot setzen und in den
Golf hinausfahren, wo sie ohne Ruder dem Element überlassen
Wurden. Aus den umfangreichen Aufsätzen über seinen Bruder, die
der König nach dessen Tode herausgab, spricht deutlich das Streben,
sich vor der Welt und besonders vor den Fremden von jedem
Hauch des Verdachtes zu reinigen : — er hatte notorisch schon vor
längerer Zeit dftn Bruder einen Arzt aufgedrängt, dessen Quacksalbereien
denselben fast zur Verzweiflung trieben; ÜH- doch scheint
Niemand solchen Verdacht gehegt zu haben
M a h a - m o n k u t überlebte seinen Bruder etwa zwei Jahre und
starb mit grösser Seelenruhe. Seine Regierung h a t dem Lande
manchen Segen gebracht, vor Allem eine gerechtere Besteuerung,
Abschaffung der Monopole und den Abschluss der Verträge, die
dem Volke nur Vorth eil bringen können. Sein ältester legitimer
Sohn wurde vom S e n a b o d i ohne Anstoss auf den Thron erhoben,
und Prinz George Washington zum Nachfolger seines Vaters, des
Zweiten Königs, erwählt. — Vom jungen Herrscher, der unter Aufsicht
einer alten trefflichen Grosstante sorgfältig erzogen wurde,
berichten Alle, die ihn als Thronfolger kannten, nur Gutes.
Welche Zukunft die europäische Cultur in S iam ha t, lässt
sich schwer ermessen; damals waren nur die beiden Könige und
wenige ihrer Grossen leise davon angehaucht. In den physikalischen
Wissenschaften, der Chemie und Mechanik hatte der allen Fremden
in B a n k o k bekannte K o n - m u t gute Kenntnisse, ein siamesischer
Grösser, dem der König jenen Titel des »Allwissenden« beilegte.
Seine Leistungen im Gebiete der Galvanoplastik und Photographie,
seine genaue Bekanntschaft mit den neuesten Problemen weckten
um so grösseres Staunen, als er Alles dem eigenen Fleiss verdankte.