
Brabazon und des Abbé de Luc blieb geheimnissvoll. Des Ersteren
alter Vater fand die für seinen Tod sprechenden Zeugnisse nicht
beweisend und kam nun seihst gereist, nach dem Verlorenen zu
forschen. • In dem Glauben, dass sein Sohn irgendwo festgehalten
würde, bot er 20,000 Pfd. St. für dessen Auslieferung, erlangte dadurch
aber nur Gewissheit von seinem Tode; denn solche Summe
hätte den härtesten Chinesen erweicht. Es war ein schmerzlicher
Anblick, wie der alte Herr seines Sohnes Waffengefährten ausfragte
und seine sinkende Hoffnung an jeden Strohhalm klammerte.
Niemand zweifelte an Capitän Brabazons Tod; wer mochte das
aber dem Vater sagen? — Noch während die Alliirten in P e - k in
standen, meldete ein chinesischer Christ von T s e n - p a o ’s Heer dem
französischen Bischof Anouile, dass am 21. September während der
Schlacht zwei Europäer im Hofe eines Tempels nicht weit von der
Brücke P a - l i - k a o hingerichtet worden seien; er habe die hauptlosen
Leichen und an der einen ein Crucifix gesehen, das er — als Christ
— zu kaufen suchte. Darauf sandte Generstl Montauban nach der
bezeichneten Stelle ein Detachement Soldaten, welche die zerfleischten
Reste zweier Leichen, ein menschliches Haupt, ein Stück
Zeug von der Kleidung eines Geistlichen und ein Stück blaues
Tuch mit rothem Streifen, wahrscheinlich von Capitän Brabazons
Beinkleidern herrührend, ausgruben. An dem besonderen Schnitt
und der Farbe des Haares erkannten die Franzosen das Haupt des
Abbé de Luc; ein zweites wurde nicht gefunden. Jener chinesische
Soldat erzählte ferner, dass bald nach Anfang der Action das Pferd
des commandirenden Feldherrn T s e n - p a o durch eine Granate ge-
tödtet wurde; er habe ein anderes bestiegen, sei aber gleich darauf
von einem Granatsplitter herabgeworfen worden, der ihm den Kinnbacken
zerschmetterte1. Als mau ihn auf hob, habe T s e n - pa o den
Rückzug des Heeres und schleunige Hinrichtung der beiden Europäer
angeordnet, das Verlangen seiner Untergebenen nach schriftlichem
Befehl zu letzterer aber unter Hinweisung auf seinen Zustand
heftig zurückgewiesen und Gehorsam gefordert: die schriftliche
Ordre solle nachfolgen, sobald er zu schreiben vermöchte. —
Später meldete sich mit diesem Zeugen noch ein anderer Soldat,
der zugegen war, als die Gefangenen herausgeführt, auf die Knie
geworfen und enthauptet wurden; dabei scheint es unordentlich zugegangen
zu sein, weil kein Soldat den Henker spielen, die Verantwortung
übernehmen mochte, auf mündlichen Befehl zu handeln.
-h- Anfang Mai 1861 besuchten die Herren Wade und Parkes den
Schauplatz der Hinrichtung und fanden, mit feuchter Erde gemischt,
das kürze Haar eines Europäers, welches der 1‘arbe nach
dem des Capitän Brabazon glich, ferner ein Stück seidener Litze,
wie sie in H o n g - k o n g für Uniformen englischer Officiere gefertigt
wird. Ein Landmann, den sie dort sprachen, sah die hauptlosen,
sonst aber unversehrten Leichen; nachher hätten Hunde, die, aus
den zerstörten Dörfern vertrieben, heerdenweise verhungernd herumirrten,
dieselben zerfleischt; die Reste wären in eine Grube geworfen
und leicht mit Erde bedeckt worden.
Im Heere der Alliirten zweifelte schon deshalb Niemand am
Tode, der beiden Gefangenen, weil sie auf Lord Eigins Drohung,
den Palast von P e - k in zu verbrennen, nicht herausgegeben wurden.
Wie alle anderen Gefangenen, so hätten die Chinesen sicher auch
diese lebendig oder to d t ausgeliefert. Trotzdem stellte Herr Bruce
auf Veranlassung der englischen Regierung abermals Nachforschungen
an: der Prinz von Kuñ befragte schriftlich S a n - k o - l in - s in und
T s e n - p a o . Ersterer antwortete kurz, dass er alle Gefangenen nach
P e -k iñ gesandt habe. T s e n - p a o erwiederte ausweichend: wenn
am 21. September europäische Gefangene bei seinem Heere gewesen
seien, so müssten sie in der Verwirrung des Rückzuges entweder
entkommen oder von den Soldaten niedergemacht worden sein;
eine andere Möglichkeit scheine ihm nicht denkbar. — Der Prinz
von Kuñ liess damals öffentlich Belohnungen, ja den Mandarinenknopf
bieten, wenn Jemand beweisende Auskunft über das Schicksal
der Vermissten gäbe; aber Niemand meldete sich.
Nachdem Major Brabazon in P e - k iñ alle Mittel erschöpft
hatte, die zu Entdeckung seines Sohnes führen konnten, vertiefte
er sich in den W ah n , dass S a ñ - k o - l i n - s in ihn bei sich festhalte.
Dieser stand, Rebellen bekämpfend, in S a n - t u n . Major Brabazon
suchte sich nun die Erlaubniss der chinesischen Regierung zu
persönlichen Nachforschungen im Heere S a ñ - k o - l i n - s in ’s auszuwirken,
musste jedoch von diesem Vorhaben abstehen, da der Prinz
und W e n - s ia ñ die Schwierigkeiten der Reise in die insurgirte P ro vinz
für Unüberwindlich erklärten.
Fesselnde Schilderungen der Tage von T sañ-kia-wan und
P a-Li - kao gab Herr de Meritens, der zweite dolmetschende Secretär
der französischen Gesandtschaft, der im Auftrag des Baron Gros
mit Herrn Parkes nach Tuñ- tsau ging, am Morgen der Schlacht