
sischen Soldaten, theils aus der nach der Plünderung im Lager, bei
den Lama-Tempeln gehaltenen Auction erstanden, Vieles auch von
Chinesen kauften. Wir sahen bei ihnen auch herrliche Stücke, die
sie in den Tempeln und Pfandleihen verlassener Ortschaften und
selbst in Y u a n - m in - y u a n erbeuteten; denn als Lord Eigin-die Zerstörung
des Sommerpalastes beschlossen h a tte , durften englische
Officiere dort vorher eine Nachlese halten, deren Ertrag nicht zur
Versteigerung abgeliefert wurde.
Oeifentliche Gebäude von Bedeutung giebt es kaum in T ie n -
t s in . Die reichste Architectur zeigen die Tempel und ihre Portale,
die meist im Häusergewirr eingeengt liegen; einige haben lange
Avenuen, mit mehreren Pforten aus lackirtem Holz mit Ziegeldächern.
Oft bilden die Portale ansehnliche Gebäude mit Obergeschoss
und Altan, mit geschnitzten, gemalten, vergoldeten,
Balustraden, Friesen und Zierrathen; hölzerne Säulen tragen die
schwere geschweifte Ziegel-Bedachung, deren hohe F irst und herablaufende
Kanten aus feinem Mörtel gezogen, mit aufgerollten Drachenschwänzen
und grotesken Thieren geschmückt sind. Andere Pforten
bilden vier in einer Linie stehende durch Querbalken verbundene
Holzsäulen, zwischen welchen unter dem künstlichen Dachstuhl
Rahmen mit durchbrochenem Schnitzwerk und Inschriften eingefügt
sind.6) Solche Portale stehn oft seitlich in der Strasse, von welcher
ein reichverziertes Mäuerchen den Tempelzugang scheidet. Hohe
rothe Masten, an denen bei Festlichkeiten bunte Banner urid Laternen
hängen, sieht man bei jedem grösseren Tempel.
Däs Innere der Tempel in T ie n - t s in gleicht den früher beschriebenen;
der merkwürdigste ist der in der Nordwest-Ecke der
Stad t gelegene, von den Engländern »Tempel der Gräuel« benannte.
In mehreren Seitengebäuden des Vorhofes sind dort die Strafen
des Jenseits durch geschnitzte roh angestrichene Holzfiguren
grauenhaft versinnlicht.- Da wird ein Mann mitten durchgesägt,
einer Frau die Zunge, einer anderen die Brust ausgerissen u. s. w.
Das Haupt-Idol, eine roh angestrichene Holzpuppe, soll einen berühmten
Kaiser darstellen. — An Festtagen kamen viele Büsser,
gelbe oder rothe Papierblätter vor der Stirn, auf denen wahrscheinlich
ih r Sündenregister stand, und Bündel' glimmender Rauchkerzen
in den Händen; mit scheinbarer Zerknirschung warfen sie sich, die
®) Mehrere Blätter des'YI. Heftes ‘der »Ansichten aus Japan, China und Siam«
bringen Darstellungen dieser Architectur.
Glieder verrenkend, vor dem Altar nieder. Andere. rutschten auf
den Knieen die mehrere hundert. Schritt lange Steinbahn bis zum
Tempel hinan, einen Ziegelstein vor sich umkantend, um dann den
Körper nachzuziehen. — Im innersten Heiligthum tobte das Volk
ohne Scheu und E h rfu rch t,.. ein roher Haufen voll Schmutz
und Elend.
Einigen Reiz bot bei günstigem Wetter ein Spaziergang auf
der Ringmauer, da man, mit einigem Klettern über eingesunkene
Stellen, um die ganze Stadt wandern konnte. Nach aussen schweift
der Blick über die Vorstädte, den Mästenwald im Pe i - ho und die
grenzenlose Ebene; im Innern ragen aus dem Häusermeer nur das
Thorgebäude im Mittelpunct, einige Tempelportale, Flaggenmasten
und viele Mattendächer, welche im Sommer über Höfen und öffentlichen
Plätzen aufgebaut werden. Das hohe Mastengerüst trägt ein
leichtes Rahmenwerk aus Bambus, auf welchem die Mattenbedachung
liegt; an die Ost- und die Westseite lehnen schiefliegeüde Gerüste,
deren Matlenwandung nach Bedürfniss durch Schnüre aufgerollt
werden kann. Ohne diese Schutzdächer machte die brennende
Sonne den Aufenthalt im Freien unmöglich. — Man blickt von
der Stadtmauer in viele Höfe, wo unter dem Staube Wein und
Akazien grünen; besonders anziehend war die Aussicht vom Ostthor
in die belebte nach dem Mittelpunct der Stadt führende
Hauptstrasse.7) In den Thorgebäuden und den Eckthürmen lagen
Massen alter Pickelhauben, Säbel und Uniformstücke, modernde
Klumpen von Rost und bunten Lappen.
Anfangs verleidete der mephitische Hauch des Stadtgrabens
die Spaziergänge auf der Mauer; General Stäveley ersuchte
den T a u - r ae vergebens, die Pfütze räumen zu lassen. Im Mai
sollten aber die öffentlichen Prüfungen des Bezirkes in der von den
Engländern zur Kirche eingerichteten Examinationshalle stattfinden,
und die Stadtbehörden baten, das Gebäude nach seiner Bestimmung
benutzen zu dürfen. Das erlaubte General Staveley unter der Bedingung,
dass sie den Graben räumten. — Die Prüfungen wurden
gehalten; die Namen der Bestbestandenen prangten bald an allen
Strassenecken, und unsere Nasen athmeten freier.
Da die in der Stadt liegenden Truppen zu ihrem Exercir-
platz immer einen langen Weg durch übelriechende Gassen hatten,
^ S. das VI. Heft der »Ansichten aus Japan, China und Siam.«