
XV.
TIENTSIN.
VOM 29. APRIL BIS 30. JUNI.
D a s mit Graf Monts und Herrn Markianowitsch nach dem
Rasboynik gesandte Boot der Arkona wurde Abends auf der Rückfahrt
von heftigem Sturm gepackt und musste zu dem Russen zu-
ruckkehren; erst am folgenden Morgen brachte es die Nachricht,
dass der Rasboynik keine Kohlen habe, auch die Barre erst in
vierzehn Tagen mit der nächsten Springfluth passiren könne. Der
Commandant, Capitän - Lieutenant Rosenberg, machte nachher dem
Gesandten seine Aufwartung. — Da nun auch der englische und
der französische Admiral ihre in der P e i - h o -Mündung liegenden
Dampfer zur Verfügung gestellt hatten, so schickte Capitän Sundewall
am 29. April Vormittags ein Boot dahin ab, welches Abends
den Attaché von Brandt an Bord der Arkona brachte. Schon seit
zehn Tagen erwartete Derselbe bei den T a - k u - Forts die Ankunft
(1er Gesandtschaft; der Commandant der kaiserlich französischen
Canoni ère No. 13, Lieutenant de vaisseau Des Varànnes, beherbergte
ihn gastfrei auf seinem Fahrzeug. Der Attache von Brandt
übergab dem Gesandten ein Schreiben des Prinzen von K u n und
meldete, dass er in T i e n - t s in ein Haus gemiethet und eingerichte
t habe. ’
Am 30. April früh legte sich Numero treize, ein Kanonenboot
vom kleinsten Kaliber, neben die Arkona. Erst um zwei Uhr
konnte es mit der l lu th wieder über die Barre, — wo bei Ebbe
nur zwei Fuss Wasser stehen, - und brachte zunächst das grosse
Gepäck, einige Ordonnanzen und die chinesische Dienerschaft nach
denTA-Ku-Forts, von wo sie in der folgenden Nacht auf Maulthier-
karren nach T ien- tsin fuhren. Herr von Brandt machte den Weg
zu Pferde. — Am Morgen des 1. Mai war die Canonière wieder bei
der Arkona und nahm um halb ' acht den Gesandten, die Attachés
Graf zu Eulenburg und von Bunsen, Dr. Lucius, Maler Berg, Herrn
Marques, Dr. Kloekers, und einige Officiere und Cadetten der Arkona
an Bord, welche die T a -ku-F orts besehen wollten; ih r Boot
und ein zweites mit einigen Ordonnanzen und dem kleinen
Gepäck der Gesandtschaft führte Numero treize im Schlepptau.
Arkona salutirte mit neunzehn Schüssen, und das Dampferchen2)
tanzte, die Nase in der Luft, tapfer prustend auf den zackigen
Wogen, die der widrige Wind ihm entgegen wälzte.. Viel Wasser
schlug in die Boote, deren Insassen hoffentlich Sturzbäder liebten.
•— Wir begegneten hier wieder den tritonenhaften Fischern, die,
auf einem durch ih r Gewicht unter Wasser gedrückten Floss
sitzend, von Wind und Wogen umhergetrieben werden, bis ein
Boot sie wieder aufnimmt; ein frostiges Gewerbe in dieser Jahreszeit;
uns fror in trockenen Kleidern. — Nach anderthalbstündiger
Fah rt erreichte Treize die Barre, über welche die Fluth ihr hinweghalf,
und bald darauf das ruhige Wasser der P e i - h o -
Mündung.
Zu beiden Seiten der Einfahrt liegen die äusseren T a - k u -
Forts, der Schauplatz der englischen und französischen Angriffe in
drei aufeinander folgenden Jahren. Die Fluth bespült den Fuss
der Wälle; die Ebbe legt einen breiten von Gräben durchschnittenen
schlammigen Uferstreifen bloss, den die Chinesen durch Wolfsgruben
und eiserne Krähenfüsse noch unwegsamer gemacht hatten.
1858 drangen die Alliirten in den Fluss ein, landeten oberhalb der
hinten- offenen Werke und rollten deren Besatzung auf; 1859 konnten
die Kanonenboote nicht eindringen. geriethen zum Theil auf
Grund und sanken unter dem wöhlgezielten Kreuzfeuer der F’esten,
während die auf dem tiefen Uferschlamm unterhalb des'Südforts landenden
Truppen theils in den Gräben und Wolfsgruben, theils im
Kartätschfeuer der unnahbaren Wälle untergingen. 1860 wurden
die äusseren Forts nur durch einige Kanonenboote auf weiten Abstand
beschäftigt, während die Landmacht der V erbündeten, nördlich
von P e - t a n kommend, zuerst das innere Nordfort stürmte, dann
das äussere ohne Widerstand besetzte, worauf die drei Südforts
geräümt wurden; die Werke waren damals auf allen Seiten geschlossen
und sehr fest. — Seit dem Kriege hatten sie nun eng-
2) Diese eisernen Kanonenboote wurden, in mehrere Stücke zerlegt, auf Ti-aus-
portschiffen über den Ocean geführt und erst in China zusammengesetzt.