
welche sie in der Moschee begrüssten. — Dem bunten Treiben auf
der Gasse verliehen die malerischen Gestalten von Fane’s Reitern
besonderen Reiz. Hier störte nicht, wie in Shang - h a e , das
europäische Element; denn selbst die englischen Officiere, welche
ausser Dienst keine.Uniform tragen, kleideten sich ohne Rücksicht
auf Convenienz nach Laune und Behagen: Wasserstiefel, Kashmir-
shäwls, J a g d r ö c k eT u rb a n e und bunte Halstücher bildeten die
lustigsten Trachten. I ane s Officiere blieben in T ie n • t s in ihren
indischen Gewohnheiten treu , die durchaus zum Klima passten.
Ueber dem Esstisch ihres Messraumes, — einer TempelhalleSfe'
hing die unvermeidliche »Punka«;6) mehrere Officiere hatten solche
auch über ihren Betten angebracht; die Schnur, an welcher der
Punka-Junge die Nacht über arbeitete, war dann durch die Wand
geführt, u n d , damit, sie lautlos ging, an dieser Stelle durch ein
seifenbeschmiertes Rohr ersetzt.
Nicht weit von Eane’s Reitern lagerte eine Armstrong-
Batterie, deren Hinterlader, damals neu, die Aufmerksamkeit der
militärischen Attaches erregten. Von ihrer Genauigkeit gewannen
dieselben bei den Schiessübungen keine grosse Meinung; dagegen
war die Bespannung vortrefflich.
Am 24. Mai, dem Geburtstag der Königin Victoria, sahen
wir die ganze englische Garnison. Die grosse Parade wurde auf
dem Exercirplatz unter der südlichen Stadtmauer abgehalten, wo
die Truppen Nachmittags zunächst in Linie aufmarschirten: auf dem
linken Flügel die Artillerie, dann Fane’s horse, die Ingenieure, Infanterie,
und auf dem rechten Flügel der Train. Nach dem königlichen
Salut, dreimal sieben Kanonenschüssen, und dreimaligem
Reihenfeuer der gesammten Infanterie brachte die Mannschaft Ihrer
Majestät ein dreifaches Hurra. Der Gesandte ritt mit General
Staveley und dessen Stabe die Front hinunter und hielt dann bei
der königlichen Standarte, — welche die Officiere fünfzehn Fuss
breit aus chinesischer Seide hatten fertigen lassen,'W- um den Vorbeimarsch
zu sehen. Das erste Mal gingen die Cavallerie und die
Artillerie im Schritt, die Infanterie in Compagniefront vorbei; das
zweite Mal die Reiter und die Batterieen im Galop, die Infanterie, auf
halbe Distancen aufgeschlossen, im Geschwindschritt. Alle Truppen
sahen trotz dem Feldzuge und sechsmonatlichem Aufenthalt in der
6) S. Bd. I. S. 196.
Schmutzhölle T ie n - t s in vortrefflich aus; vor Allem gefiel uns aber
das malerisch-kriegerische Aussehn von Fane’s hrauüer Reiterschaar.
— Die Geschütze nahmen, mit chinesischen Maulthieren
bespannt, im Galop ohne Anstoss einen breiten Graben.
Keine geringe Aufgabe war es für die Officiere, der Mannschaft
und sich selbst den Aufenthalt in T i e n - t s in erträglich zu
machen, wo sie schon den Winter verlebten. Vorzüglich um die
Soldaten in guter Stimmung zu erhalten, richteten sie mit erheblichen
Kosten ein Theater ein, wo sie abwechselnd mit denselben
spielten. Tragisches, Melodramatisches, Parodieen, Lustspiele und
Possen kamen auf die Bretter; es fehlte auch nicht an Dichtern,
die Couplets machten voll Anspielungen auf den Krieg und den
Garnison-Klatsch. Den Soldaten zu Liebe spielten auch die Officiere
oft Rührstücke mit zarten Frauenrollen, bei denen sie selbst
wohl Thränen lachten, während Jene Alles sehr ernst nahmen; ihr
eigenes Vergnügen fanden sie an der Komik, und zeigten dazu vorzügliche
Begabung. Possen gaben sie meisterhaft, auch die F'rauen-
ro llen , zu denen sich junge Officiere fast verführerisch aufzuputzen
wussten.. — Das Local war ein den Officieren der Garnison
vom Obercommando als Ressource überwiesenes chinesisches
Theater; sie statteten die Bühne mit selbstgemalten Decorationen
aus und richteten ein Orchester ein. Im Zuschauerraum standen
vorn einige Bänke für die Officiere; das weite Parterre
dahinter besetzten die Soldaten. Oft mussten die Vorstellungen
wiederholt werden, um dem Andrang zu genügen. Kostüme und
Requisiten waren glänzend; aus den mässigen Eintrittspreisen
konnten die Kosten kaum bestritten werden, die Unternehmer
schossen wohl namhafte Summen zu, und leisteten wahrhaft E r staunliches.
Zur Pflege des Sport hatten die englischen Officiere einen
Club gestiftet, den sie- mit indischem Ausdruck D z im - m m nannten.
Graf Eulenburg und seine Begleiter wurden gleich nach ihrer Ankunft
zu Ehrenmitgliedern berufen und wohnten regelmässig den
Wettrennen bei, welche der Club jeden Sonnabend veranstaltete.
Die Rennbahn war südlich von T i e n - t s in - innerhalb S a n - k o - l j n -
s in ’s Umwallung abgesteckt, wo in geräumigem Zelt die Zeichnungen
angenommen und alle strengen Regeln des Sport in bester
Form gehandhabt wurden. Oft liefen die Wetten zu bedeutender
Höhe: da gab es Rennen für arabische, englische, australische, tar