sprechender Aufschneiderei erzählt, dass sie specielle Geschenke
von Mputo 1 (überm grossen Wasser) sind, und der
verwunderte Häuptling geht weg unter dem vollen Eindruck
von Lutete’s Macht und Grösse. Kurz nach meiner Ankunft
sandte L u tete, welcher krank war, sein Weib, um
mich statt seiner zu begrüssen, und sie brachte mir einen
grossen Krug mit Palmwein als Ö o Geschenk. Diese Dame
war ausserordentlich einfach, aber sie war Lutete’s Lieblingsweib,
da sie ihm mehrere Kinder geschenkt hatte.
Nachdem ich einen Tag in dieser Station gerastet hatte,
brach ich mit meiner Karavane von 80 Mann auf, die Reise
nach Stanley-Pool fortzusetzen. Das Land, welches wir
kurz vor und hinter Lutete durchzogen, hatte ein etwas
eigenartiges Aussehen. Hier und da gab es tiefe Schluchten,
Spalten, Klamms, die Canons der Californier — ich weiss
nicht wie ich sie nennen soll — mächtige Risse im Erdreich,
die von dem sich in den weichen rothen Boden einfressenden
Wasser entweder gemacht oder verändert waren. Sie ähneln
den seltsamen Thälern und Schluchten rund um Loanda, im
1 Mputo bedeutet wörtlich „bewegtes Wasser“ und wird in diesem
Sinne zunächst auf die Stromsehnelien des Kongo angewandt, wo es
„wallet und siedet“. Weiter wird es gebraucht, um die See mit ihren
unruhigen Wellen zu beschreiben, und in noch weiterm Sinne bedeutet
es alles was vom Meere kommt. Die Eingeborenen vom untern
Kongo glaubten oder pflegten zu glauben, dass alle weissen Männer
aus der See selber kämen, und dass unsere Kleidung aus den Häuten
der Seethiere gemacht sei. Infolge davon bedeutet „Muene Mputo“
den „Fürsten der See“ oder den „Häuptling aller weissen Männer“,
und nicht, wie die Portugiesen uns glauben machen wollten, den
„König von Puto“ oder „Portugal“. Wenn die Eingeborenen „Portugal“
zu sagen wünschten, so pflegten sie es „Poltogale“ und nicht
„Mputo“ zu nennen. Weiter den Kongo hinauf, jenseits des Pool,
wussten die Eingeborenen wenig oder nichts von der See und nennen
uns „Söhne der Luft“ oder „Söhne des Himmels“.
Portugiesischen Afrika. Ihre Tiefen sind hier jedoch erfüllt
von den reichsten und phantastischsten Gebilden des Pflanzenreichs,
und nach dem Geschrei und Lärm zu urtheilen,
welcher aus dem grünen Meer sich erhebt, müssen diese
herrlichen Wälder von zahlreichen Vögeln und Affen bewohnt
sein. Jede dieser Schluchten würde einen selten
schönen Jagdgrund fü r einen Naturforscher abgeben.
Wenn man in einiger Entfernung von Lutete ein hohes
Plateau erreicht, über welches der Negerweg hinüberführt,
kann man eine schöne Aussicht auf den Edwin Arnold-Fluss
gemessen, der in furchtbaren Wasserfällen zum Kongo hinabstürzt.
Die Gewässer dieses unruhigen Stromes sehen genau
aus wie ein weisses Tuch, welches stellenweise über die
dunkelgrünen Hügel gelegt ist, weil man den Anblick aus
solcher Entfernung geniesst, dass man die Bewegung des
Wassers selber nicht wahrnimmt, und die Decke von weissem
Gischt so ruhig und einem Bilde ähnlich ist als wäre sie
photographirt.
In der zweiten Nacht meiner Reise passirte mir ein Unglück,
aber eins von den so gewöhnlichen afrikanischen
Reiseabenteuern, dass ich es hier ausführlich zu erzählen
wage, damit der Leser das Gute und das Schlechte erkenne
und nicht glaube, es beständen die Erfahrungen eines Kongo-
Reisenden aus lauter Sonnenschein und Himmelsbläue. Wir
waren wie gewöhnlich in einem Dorfe einquartiert und mein
Zelt war allem Anschein nach sorgfältig und umsichtig ausgepflöckt.
Ich hatte ein gutzubereitetes Essen mit scharfem
Appetit verzehrt und dann mir den ungewöhnlichen Luxus
eines Romans mit einer Tasse Kaffee gestattet. Als ich zuletzt
vom Lesen müde wurde, ging ich zu Bett und liess
mein Buch offen und fast alle meine Sachen ausgepackt und
unordentlich liegen. Ich dachte es gäbe am Morgen ja Zeit
Johnston, Der Kongo. 9