Aengsten. Bevor 'wir das seichte Wasser verlassen, kann
ein Flusspferd kommen und uns in Havarie bringen, oder
einmal mitten in der gewaltigen Strömung, wo die Wellen
die eine über die andere stürzen, kann ein Windstoss unser
„Fall-um“ plötzlich über Kopf werfen. Jedoch das entgegengesetzte
Ufer kommt näher und näher, endlich fahren wir
in eine kleine stille Bucht hinein, auf welche wir zugesteuert
haben, und wo ein ruhiger Nebenlauf des Stromes von einer
Waldspitze geschützt wird. Hier wird das Kanoe an einem
umgefallenen Baum angebunden, das Zelt zur Beschützung
der schwerem Bagage und der ,, bcitterie de cuisvne vor der
Sonne aufgeschlagen; während wir Mafia zurücklassen, damit
er mit den Zurüstungen zum Mittagsmahl beginne, wird
meinerseits in eifriger Hast der offene Strich weissen Sandes
verlassen, um einem Elefantenpfade folgend uns in den
kühlen Wa ld zu vertiefen.
In der Heimat bin ich ein Feueranbeter, in den Tropen
verehre ich die Bäume. Mein Herz ist mit den wandernden
Juden von ehemals, welche „sich hohe Häuser und Bilder
und Lauben machten, auf jedem hohen Berge und unter
jedem grünen Baume“, und die trotz gelegentlicher bilder-
stürmender oder „baumstürmender“ Gesetzgeber, welche aufstanden
und die Wälder niederschlugen, wiederholt von
ihrem strengen ernsten W ü s te n g la u b e n — dem Glauben
des Hiob und des jetzigen Beduinen — in den mildern
Cultus des hohen Schatten spendenden Baumes zurückfielen.
Der W a ld wird am besten im Lande der S o n n e gewürdigt,
wo seine kühle grüne Dunkelheit so versöhnend gegen
die starke weisse Hitze im Freien absticht. Vorsichtigen
Schrittes und langsam folgen wir deshalb der Elefantenspur
und vermeiden das Knacken der Zweige, die dornigen Aeste
und die Ameisennester der Gebüsche. J e weniger Geräusch
wir in diesem Heiligthum der Wildniss machen, desto mehr
werden wir von seinem vornehmen Leben:, sehen. Pst!
Horch, was war das? Andauerndes Krachen im Walde begleitet
meine Frage, dann ein Rauschen des Laubes. Faradschi
zupft mich am Aermel und flüstert: „Tembo, Buana,
tembo.“ Darauf sehe ich in der von ihm angedeuteten
Richtung durch die Stämme und das niedere Gebüsch eine
graue Masse. Es ist ein Elefant der, gleichviel ob er uns
hört oder nicht, ruhig seiner Aesung nachgeht. W ir folgen
etwas zagend unserm Wege unter dem Geräusch der knackenden,
brechenden Zweige und nachgebenden Blatter, durchaus
entschlossen, den Elefanten unbehelligt zu lassen; denn von
welchem Nutzen würde m e i n e kleine Vogelflinte gegen seine
Haut oder seinen knochigen Schädel sein? Je tz t zeigefi sich
grosse runde Wasserlöcher auf unserm Wege, da wo die Ele-
fantenfüsse in den weichen Boden eingedrungen sind und der
Regen die Vertiefungen ausgefüllt hat. Die Eintagspfuhle
wimmeln trotzdem schon von Leben. Kleine gestreifte
Frösche quaken auf den Rändern, Myriaden glänzender
Wasserjungfern und Wasserspinnen huschen leicht über die
Oberfläche hin, und in den schlammigen Tiefen scheinen sich
viele undefinirbare Geschöpfe hin und her zu bewegen.
Wieder ein Warnungsruf von Faradschi. Ich sehe nach
oben und erkenne über meinem Kopf einen schwarzen
Flecken in dem dichten Gezweig. Es ist irgendein grösser
Vogel, ich feuere meine kleine Kammerflinte ab und herunter
kommt er mit vielem Flügelklatschen und gelegentlich
in den Gabelungen der Zweige hängen bleibend, bis er als
lebloser Klumpen ins Gras zu meinen Füssen niederstürzt.
Es ist ein grösser Preis — der schöne blaue Pisangfresser ,
1 Schizorhis gigantea; Kopf und Kamm erkennt man aus der Abbildung
Kap. XIY.