Abscheu sie davor haben, sich von irgendwelchen menschlichen
Resten zu trennen, weshalb wir auch eine entschiedene Weige-
rung erwarteten. Zu unserer Ueberraschung forderten sie
indess sofort einen bestimmten Preis, welcher nachher bis
auf drei Messingstäbe fü r einen Schädel ermässigt wurde;
zu diesem Preise wurden wirklich zwei gekauft und hätten
wahrscheinlich noch mehr erworben werden können, wenn
wir uns hätten aufhalten und handeln wollen; denn als das
Völkchen sah, dass seine osteologischen Sammlungen von
W erth seien, beeilte es sich sie zu verkaufen, und man
brachte uns ausser Schädeln alle Arten von Knochen, von
denen jedoch die meisten werthlos waren. Mancher könnte
sich zu dem Schlüsse versteigen, als wären wir in einem
Kannibalenneste gewesen, blos weil wir so viele menschliche
Ueberreste in diesem Dorfe sahen, aber ich glaube, dass nicht
der geringste Grund fü r eine solche Anklage vorlag. In
vielen Dörfern — in der That in fast allen Dörfern dieser
Gegend — stecken die Einwohner die Knochen von Menschen
und Thieren unter Bäume oder auf die Fetischhütten aus
verschiedenen verwickelten religiösen Gründen oder aus
Grossthuerei und vielleicht auch aus Furcht, — aus Furcht
vor den rächenden Manen der Dahingeschiedenen, welche an
ihren Mördern Rache nehmen könnten, wenn sie nicht ihre
Gebeine als Gewähr fü r gutes Betragen besässen. Als wir
mit den Einwohnern von Itimba auf vertrauten Fuss zu
stehen kamen — es dauert nur kurze Zeit, bis man das
Vertrauen dieser einfachen Leute gewinnt, fragte Ich
einige von ihnen vertraulich, ob sie wol Menschenfleisch ässen,
indem ich zugleich Sorge tru g bei der Frage eine möglichst
arglose Miene anzunehmen, damit, wenn sie sich schämen
sollten, diese Beigabe zu ihrer Kost zuzugestehen, sie durch
meine Vorurtheilsfreiheit sich gestärkt fühlen und es eingestehen
sollten. Zuerst jedoch verstanden sie mich nicht
völlig, aber als ich durch kräftigere Pantomime und besser
gewählte Ausdrücke ihnen meine Meinung deutlicher ausgedrückt
hatte, wiesen sie die Unterstellung mit dem
äussersten Abscheu zurück, indem sie meine Frage mit
einem emphatischen „Ve, ve, v e “ (Nein, nein, nein) beantworteten
und dann die schüchterne Frage folgen Hessen
„N a baio“ (U n d ihr? Und ihr?)
Bevor die Aufregung wegen der Schädel vorüber war,
kamen frische Gegenstände des Interesses in Gestalt einiger
prächtiger soeben gefangener Fische an. W ir kauften den
Fang und ich setzte mich beim Kerzenlicht hin, den grossten
derselben zu zeichnen. E r mass 140 cm m Lange; im
X I I I. Kapitel gebe ich eine vollständigere Beschreibung.
Um dieses Dorf Itimba wuchsen viele schöne Gruppen
Euphorbien, vielleicht Euphorbia Hermentiana, welche von
den Einwohnern offenbar gehegt und gepflegt wurden, da
sie einiges abergläubisches oder vielleicht praktisches Interesse
an diesen seltsamen stacheligen Pflanzen nehmen. Obgleich
diese Euphorbien in fast allen Dörfern des westlichen Afrika
Vorkommen, so fehlen sie seltsamerweise doch, soweit meine
Beobachtungen reichen, in dem wilden noch unbekannten
Lande. Sollten sie eine nur noch halbwilde Art sein, die
von Dorf zu Dorf verbreitet wird, entweder aus abergläubischer
Vorliebe, oder um schützende Hecken abzugeben,
oder weil sie ein nützliches Produkt liefert, z. B. einen giftigen
Saft oder eine verwendbare Faser?
Am nächsten Morgen machten wir halt bei jenem lieblichen
kleinen Dorfe Mbongo, in welchem ich zuvor so gut
aufgenommen worden war. Die Leute begrussten mich mit
wahrem Enthusiasmus, und obgleich es keinen Malafu gab, so
brachten sie doch Zuckerrohr in Menge. Ich erwarb hier eine