ohne Zweifel ganz schwindelig geworden war. Die Flusspferde
sind auf dem Kongo so kühn und unbefangen, dass
sie fü r die Kanoes wirklich gefährlich werden. Man weiss
nie, ob man schiessen soll oder nicht. Trifft man und tödtet
die Bestie nicht gründlich, so nimmt sie den Schützen an
um sich zu rächen, und 'schiesst man nicht, so kann sie in
einem Anfall reiner Bosheit das Fahrzeug in Havarie bringen.
Heute ruderten wir lange und weithin. Das Wetter war
so schön, das Wasser so schlicht, und die Landschaft so
lieblich, dass, wie ich im Vordertheil des Kanoes liegend, den
Kopf auf meinem Schlummerkissen, die Gruppen der Hy-
phaene-Palmen betrachtete und die herabhängenden Zweige
" an mir vorüberglitten — ein schönes, wenn auch etwas einförmiges
Schauspiel — die Unruhe und Gefahr der Kanoereise
mir sehr unbedeutend, das Vergnügen dagegen sehr gross
erschienen. Ich war auch im Stande, nicht weniger als drei
getrennte Gewitterstürme im Norden, Osten und Süden von
uns dahinziehen zu sehen und ihre grossen Regenschleier zu
beobachten, mit denen sie die L u ft überschwemmten und
sich buchstäblich ausströmten, bis sie zuletzt zu einem dünnen
Vorhang wurden, durch welchen man die entfernten Landschaften
wie durch einen Schleier von doppelter Gaze sich
betrachten konnte. W ir entgingen ihnen glücklicherweise,
ohne einen Tropfen abzubekommen, was ein grosses Glück
fü r uns war.
Gegen 5 Uhr desselben Nachmittags machten wir halt
und landeten auf einem Streifen sandigen Strandes, der von
hohem Grase und verkrüppelten Bäumen umgeben war,
während die schönen Berge am jenseitigen Ufer sich dicht
bewaldet über das Wasser erhoben, gerade wie an den Ufern
eines schottischen Sees. Der Strom verengt sich hier merklich
und scheint von Hügeln eingeschlossen zu sein. Ich
sass am Strande mit Zeichnen beschäftigt, als ich einen Mann
ausrufen hörte, dass Dschuma käme. Dschuma war ein San-
sibarer, den Janssen kürzlich mit Briefen an Stanley nach
Leopoldville abgeschickt hatte, und welcher jetzt nach Msuata
zurückkehrte. I c h machte mir wenig Hoffnung auf Briefe, da
ich so oft enttäuscht worden war, freute mich daher um so
mehr, als Dschuma mir ein grosses Packet einhandigte, welches
diese fü r mich unbezahlbaren. Schätze enthielt. Briefe
aus Europa hatte ich lange Monate hindurch nicht erhalten
und jetzt lagen Dutzende in meinem Schos. Allerlei Zeitungsnummern
starrten mich an aus ihren zerknitterten Umschlägen,
als ob sie erstaunt wären, sich vielleicht zum ersten
mal am obern Kongo wiederzufinden. Ich verlebte natürlich
einen sehr glücklichen Abend und meine Leute desgleichen,
nachdem ich in Anbetracht des glücklichen Zusammentreffens
mit freigebiger Hand Lebensmittel ausgetheilt hatte.
Am nächsten Tage war unsere Reise verhältnissmässig
ereignisslos. Die Fliegen waren ganz besonders lästig, besonders
eine grosse braune A rt, welche grausam zubeisst.
Sie schienen an Zahl zuzunehmen, je mehr wir uns dem
Stanley-Pool näherten.
Ich machte eine Weile halt, um einige weisse L ilie n 1 zu
zeichnen, welche zahlreich an den Flussufern wachsen und mit
ihren schlanken Stengeln voll zart weisser Blumen um diese
Jahreszeit sehr die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Nachmittags
ruderten wir in den „Pfuhl“ hinein, dessen imposanter
Anblick mir mehr als je zuvor auffiel. Ich kann mir ganz gut
denken, dass Stanley bei seiner Thalfahrt im Jahre 1877 geglaubt
hat, in irgendeinen grossen See oder ein binnenlandisches
i Crinum zelanicum. Eine im mittlern Afrika ganz gewöhnliche
Lilie, sehr wohlriechend und stets gedrängt voll Füegen und Bienen.