ich dem obern Kongo Lebewohl sagte. An einem glänzenden
Sonntag Morgen gegen Ende April tra t ich meine Reise
stromabwärts an mit zwei gutgebauten Negerltanoes, welche
von meinen drei Sansibarleuten und einiOg en Krumanos Ogerudert
werden, die Janssen mir geliehen hatte. Das erste
Kanoe war mit einem Sonnenzelt und Graskissen versehen
worden und das zweite enthielt mein schweres Gepäck und
die Sachen, deren Verlust ich schlimmstenfalls am leichtesten
verschmerzen konnte. In meinem Kanoe beherbergten
einige kleine Kisten die Ueberbleibsel meiner naturgeschichtlichen
Sammlungen, welche von den Ameisen und der Regenzeit
verschont geblieben waren; meine Notizbücher und
Skizzenhefte führte ich immer in einer Schachtel bei mir,
aus Furcht, diese Ergebnisse meiner Beobachtungen zu verlieren,
wenn ich sie der Obhut der Leute anvertraute.
Janssen stand auf dem schnell zurücksinkenden Ufer von
Msuata, als unsere Kanoes mit 10 km Fortgang in der Stunde
stromabwärts davonfuhren. W ir riefen einander „auf Wiedersehen“
zu, ohne zu ahnen, dass wir uns zum letzten male
sahen. Drei Monate später ertrank mein gütiger Gastgeber
von Msuata gegenüber seiner Station. Dieses traurige Ende
einer glänzenden Laufbahn konnte ich nicht vorhersehen,
darum nahm ich wohlgemuth und leichten Herzens Abschied.
Die Sonne schien hell von dem blass-blauen, nicht von dem
leichtesten Wölkchen getrübten Himmel herab, und ihre
Hitze wurde von einem sehr leichten, von Westen kommenden
Lufthauch gemildert, der mir wie eine Botschaft von
dem sehnlichst zu begrüssenden Meere dünkte. Ueberall
gab sich ein deutliches Streben nach lauter Thätigkeit kund.
Die Königsfischer und Rohrdommeln hatten nie so eifrig
gejagt, noch so lustig bei jedem Fange geschrien. Die
grauen Papageien rückten zu ihrem täglichen Ausfluge aus
und pfiffen melodisch, als sie über unsere Köpfe schwirrten.
Selbst die Fische sprangen in lustigen silberfarbigen
Haufen um den Bug des dahiüeilenden Kanoes. Die Leute
sangen und die Riemen spalteten das Wasser so energisch
unter ihren kräftigen Schlägen, dass meine Zufriedenheit
höchstens durch das gelegentliche Sprühwasser gestört wurde,
welches sie über mich und meine Sachen ergossen. Aber
ich mochte ihre Ausgelassenheit nicht tadeln. Sie stimmte
gar zu sehr zu der eigenen Freude, dass es heimwärts ging.
Zuweilen fuhren wir um die Wette mit den schwimmenden
Inseln von Schilf und Rohr, und schlugen sie; aber sie ergaben
sich gern in ihr Schicksal, weil sie ja wussten, dass
sie uns über Nacht leicht wieder einholen würden; ein anderes
mal fuhren wir an armseligen taumelnden Bäumen
vorbei, die mit ihren Wurzeln ausgerissen, nun die Träger
von Farrn, Gräsern und Schmarotzerpflanzen geworden waren,
welche , hier rein verwilderten in dem heftigen Strom, der
sie in die Runde wirbelte, von einer Seite zur ändern stiess,
sie über Kopf rollte und seine bedauernswerthen Gefangenen
mit grausamem Griff davonführte. Einer dieser ausgerissenen
Baumstämme war eine Species Mimose, deren Zweige
noch reichbelaubt und mit schönen gelben Blüten bedeckt
waren. Obendrein führte sie eine ganze kleine Bevölkerung
auf ihrem Wege mit sich. Ich bemerkte drei Eidechsen,
welche in den Zweigen auf- und abliefen, einige Schmetterlinge,
die auf den wohlriechenden Blüten sassen, und zwei
Bachstelzen, welche sich sonnten und sich putzten, als ob
sie den schwimmenden Baumstamm zu ihrer zeitweiligen
Heimat erwählt hätten .1 Ich begann zu glauben, dass meine
1 Auf vielen Flüssen dienen diese schwimmenden Bäume als die
grossen Mittel zur Verbreitung der Arten.
Johnston, Der Kongo. 17