Die einzigen mir bekannten Stämme, bei denen es mir nicht
gelungen ist, irgendeine Spur von Haar oder selbst Bart zu
entdecken, ohne dass ich ihre Abwesenheit damit erklären
konnte, dass diese Stämme Nacktheit vorziehen, sind die
Buschmänner und Hottentotten; und doch hält man sie fü r
die niedrigsten Menschenrassen in Afrika. Es wäre interessant
zu erfahren, wie dies zu erklären ist.
Zu allen Zeiten und in allen Klimaten haben die Menschen
eine kahle Haut als ein persönliches Reizmittel gepflegt.
Die alten Griechen und Römer übten dasselbe E n th a a ru n g -
verfahren, welches bei den Afrikanern von heute beliebt ist.
Priester haben gelehrt, es sei gottgefällig, glatt geschoren zu
leben; und die Höflinge und Rathgeber so vieler weltlicher
Pürsten haben ihren freiwachsenden Bart beschnitten und
ihre Locken gekräuselt, um ein ernsteres und stattlicheres
Aussehen zu bekommen. Es ist wirklich merkwürdig, dass
das Behaartsein immer als Zeichen von Wildheit und thie-
rischer Kraft gegolten h at, und dass Soldaten erlaubt ist,
einen Bart zu tragen, welchen eine strenge Mode dem
Bürgersmann verbietet.
Menschliche Nacktheit zeigt sich zuerst bei den Pavianen
und ihren Verwandten, dem Gelada-Affen. Diese Thiere
zeigen ihre nackten Theile augenscheinlich aus Stolz, indem
sie dieselben selbstgefällig den Blicken ihrer Feinde oder
Freunde zu wenden; nicht, wie man geglaubt hat, um zu
beleidigen, sondern aus demselben Grunde, weshalb der Pfau
seinen Schwanz aufrichtet und mit den Federkielen rasselt,
um nämlich seine Beschauer zu entzücken oder in Furcht
zu setzen. So haben in verflossenen Zeiten die Weiber des
beginnenden Menschen mit Genugthuung die zunehmende
Nacktheit ihrer Ehemänner betrachtet, gerade wie das Weibchen
des Gelada-Affen mit zarter Hand die grosse kahle
Stelle an der Brust ihres Männchens berührt und streichelt.
Bei den meisten Affen der Alten Welt sind Hände, Füsse
und Gesicht kahl, bei den Pavianen sind die hintern Theile
kahl und glänzend. Demzufolge überkam den strebsamen
Affen, welcher sich schliesslich zur Menschwerdung durcharbeitete,
eher eine allmähliche Abnahme der Behaarung als
absolute Nacktheit, wie denn auch Körper und Glieder bei
nur wenigen Menschen völlig von Haaren entblösst sind.
Als der Mensch alles oder fast alles Haar verloren hatte,
welches bei so vielen Säugethieren sich zu einem hervorragenden
Schmuck des männlichen Geschlechts entwickelt,
hatte er einen genügenden Grad von Verstand erworben,
das niedrige Machwerk der Natur aufzugeben und die Hülfe
der Kunst anzurufen, um seiner angeborenen Eitelkeit aufzuhelfen
und seine Person so zu schmücken, dass sie in den
Augen der Weiber an Anziehungskraft gewönne. Backen-
und Schnurrbart, die schon in weniger entwickelter Form
bei den höhern Affen vorkamen, erhielten im Menschen ihre
äusserste Vollendung, aber darüber hinaus wurde kein Versuch
gemacht, irgendein besonderes physisches Reizmittel zu
entdecken oder einen ähnlichen Fortschritt zur Färbung der
Haut oder einem Auswüchse derselben zu unternehmen, wie
wir das bei so manchen Affen 1 sehen. Im Gegentheil
scheint der Mensch eher zu körperlicher Gleichmässigkeit
und Unbedeutendheit entartet zu sein. Von dem Standpunkt
eines Hirsches mit starkem Geweih oder eines an-
muthigen Leoparden betrachtet, scheint ein nackter Mensch
eine armselige Art von Thier zu sein. Die höhere Schönheit
1 Um nur ein Beispiel anzuführen, so erinnere man sich nur an
die blau gestreiften Wangen der Mandrills, die glänzend roth gefärbten
Geschlechtstheile der Paviane, die Mähne des Gelada- und Colobus-
Affen etc.