Ehebruch ist nicht ungewöhnlich; die Strafe wechselt je
nach der Lebensstellung oder dem Wohnort des Betreffenden,
von Leibes- und Lebensstrafe bis zu einer geringfügigen
Geldbusseherunter. Die Weiber geben wenig auf die eigene
Tugend, sei es vor oder nach der Verheirathung, und ohne
die Eifersucht der Männer würde ungehinderter Verkehr
unter den Geschlechtern die Regel bilden. Unter den Ba-
kongofrauen gilt es fü r ehrenhaft und lobenswerth, sich
die Stellung einer Maitresse des weissen Mannes zu verdienen,
und ein so vor seinen Mitschwestern ausgezeichnetes
Weib wird von seinen Landsleuten mit Respekt und Hochachtung
angesehen. Obendrein sind die Männer, wenn sie
untereinander auch einige eheherrliche Eifersucht verrathen,
doch weit entfernt, irgendetwas wie Genugthuung zu verlangen
, wenn ein Europäer das Anerbieten einer Frau anzunehmen
sich veranlasst sieht, sei es als Zeichen der Gastfreundschaft
oder in Erwartung; einer o kleinen Belohnungo:.
Unverheirathete Mädchen bieten sie schon sparsamer an,
weil ihr Marktpreis ein höherer ist; aber man kann in aller
Aufrichtigkeit sagen, dass unter diesen Völkern weibliche
Keuschheit unbekannt ist und die Ehre eines Weibes nach
dem Preise bemessen wird, der dafür bezahlt wird.
Am niedern Kongo bis S tanley-Pool hinauf, also in
einem Landstrich, welcher sich noch etwas über das eigentliche
Gebiet der Bakongo ausdehnt, herrscht der Phallus-
cultus in verschiedenen Formen vor. E r ist nicht mit
irgendwelchen Gebräuchen verbunden, welche eigentlich ob-
scön zu nennen wären, und an der Küste, wo Sitten und
Moral hauptsächlich verdorben sind, wird der Phalluscultus
nicht mehr angetroffeij. In den Wäldern zwischen Manjanga
und Stanley-Pool trifft man nicht selten einen kleinen, von
Palmwedeln und Stöcken gebauten Tempel an, in welchem
männliche und weibliche Figuren von nahezu oder völliger
Lebensgrösse mit unverhältnissmässigen Geschlechtstheilen
zu sehen sind, welche das männliche und weibliche Princip
vorstellen sollen. Um diese geschnitzten oder bemalten
■ Statuen, die schon im sechsten Kapitel beschrieben sind,
liegen Opfergaben an Tellern, Messern und Zeugen, und oft
kann man auch das Phallus-Symbol von den Dachspar-ren
herunterhängen sehen. Aber man darf in alledem nicht die
geringste Obscönität vermuthen; wer diese Anbetung der
Zeugungskraft als obscön ansieht j th u t es im blinden Eifer
oder aus Unkunde. Sie ist ein feierliches Geheimniss fü r den
Eingeborenen am Kongo, eine nur unklar verstandene Kraft,
und gleich allen geheimnissvollen natürlichen Kundgebungen
— gleich dem grossen rauschenden Strom, welcher, sein
Fischerkanoe umwirft und die Macht hat ihn zu ertränken —
gleich dem leuchtenden Blitz, dem brüllenden Donner, dem
brausenden Wind, ist es eine Kraft, welche man sich günstig
stimmen und zum Guten lenken muss.
Ohne Zweifel steht dieser Phalluscultus in Verbindung:
mit den Nkimba-Ceremonien,‘ die man am untern KonÖeo
zwischen Isangila und der Küste antrifft und in ihren
mannichfaltigen Formen zu den Gebräuchen rechnen darf,
welche unter den meisten Bantustämmen den ersten E in tritt
in die Mannbarkeit zu begleiten pflegen.
Die Nkimba sind höchst wahrscheinlich Mannspersonen,
welche sich der Beschneidung unterzogen haben und in die
Ehegebräuche eingeweiht werden, und diese geheime Brüderschaft
besteht gewöhnlich aus Junggesellen verschiedenen
Alters zwischen 12 und 15 Jahren. Gelegentlich kann man
auch ältere Männer unter ihnen sehen,J welche aus irgOendeinem
Grunde der Einweihung in jugendlicherm Alter aus
dem Wege gegangen sind. Diese Gebräuche dauern zwei