weil das starke bis 2 m hohe Gras keineswegs zu einem
angenehmen Spaziergang einladet.
Ich rüstete mich gerade zu einem kleinen Ausflug längs
des südlichen Ufers des Stromes, in der Hoffnung endlich
Stanley-Pool zu erreichen, als am Abend meiner Abreise der
„Belgique“ , ein der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft
gehörender Dampfer, in Underhill anlegte und mir
eine Botschaft von dem Chef der Station zu Vivi brachte,
dass ich herüberkommen möchte, Stanley zu besuchen, welcher
gerade von Europa zurückgekehrt sei. Ich verschob also
meine beabsichtigte Abreise um einen Tag und begleitete
den Kapitän der „Belgique“ auf seinem Wege stromaufwärts
nach Vivi. Schon einigemal hatte ich dieses Schiff die Station
passiren und dann gleichsam in den Berg hinein verschwinden
sehen, weil der Eingang in den „Höllenkessel“ so seltsam
verborgen lag; in den grossen Wunsch, Stanley in Afrika
zu begrüssen und mit ihm über afrikanische Angelegenheiten
zu sprechen, mischte sich daher eine unbestimmte Neugierde,
zu entdecken, was es da „um die Eck e“ dieses grossen
Bergschlundes gäbe. Was ich sah, als wir eine Biegung
des eingezwängten und verengten Stromes, der hier zwischen
steilen Abhängen von etwa 1000 Fuss Höhe dahinrauscht,
hinter uns liessen, war Vivi, welches, wie es sich glänzend
und schimmernd aus der Nachmittagsbeleuchtung heraushob,
mit seinen weissen Häusern auf weitläufiger dürrer Klippe,
und in seiner Helle strahlend wie eine europäische Stadt
auf einem befestigten Berge, in der That kaum noch einer
friedlichen Niederlassung, sondern vielmehr der Festung eines
Flusspiraten und seiner Beutekammer ähnlich sah. Der
kleine Dampfer aber, der sich fürchtete, durch die stark
rauschenden Gewässer bis an den Fuss des Berges von Vivi
zu dampfen, bog in einen kleinen Seitenlauf, Belgique Creek
genannt, ein, wo wir landeten, um von da durch feuchten
Wald und dumpfe Schluchten nach Vivi zu wandern, und
zuguterletzt noch einen steilen Aufstieg auf rother lehmiger
Strasse zu machen. Als wir uns der Station näherten,
zeigten sich immer grössere Haufen Volks, bis wir, im
Mittelpunkt des grossen länglichen Raumes, auf welchem
die Häuser standen, angekommen, glaubten, wir befänden
uns auf einem grossen afrikanischen Jahrmärkte. 280 San-
.sibarleute waren tags zuvor angekommen, zu den schon in
der Station anwesenden, und ausser ihnen waren Krujungen,
Kabindas und noch viele Eingeborene aus der Nachbarschaft
da; denn zu den zahlreichen sonstigen Ankömmlingen waren
einige wichtige Häuptlinge mit ihrem grossen Gefolge ge-
stossen, um eine Ehrenaudienz, eine A rt Mittagsbesuch, bei
„Bula Matade“ 1 nachzusuchen, und ihm das Willkommen zu
seiner Rückkehr zum Kongowerk zu entbieten. Hier fand
ich ihn auf seinem Lagerstuhl sitzend, die Pfeife im Munde
und einen Halbkreis grinsender Zaunkönige vor ihm kauernd,
von denen“einige aus Pfeifen mit langen Stielen und kleinen
Köpfen in selbstgefälligem Schweigen rauchten, während
andere eine Frage nach der ändern an „Bula Matade“ richteten,
über seine neuliche Reise nach Europa -4- nach Mputo,
dem Lande jenseits des Meeres, wie sie es nennen -—, und
seine Antworten mit dem Ausdruck ungO läubigOer Verwunderung
anhörten, indem sie mit der Hand auf den geöffneten
Mund klatschten. Ich machte ' unwillkürlich halt, um die
Gruppe zu betrachten, da Stanley mich noch nicht hatte
kommen sehen, und nicht wusste, dass ich ihn beobachtete.
Vielleicht stand er nie besser zu einem Bilde als in diesem
Augenblick, wie er da sass, herablassend schwatzend und
1 Stanley’s Name am Kongo, der „Felsbreclier.“