22 auf den Quadratkilometer! 1 Diese Massen sind nicht
einem einzigen grossen Fürsten oder Kaiser unterthan. Man
darf die hiesigen Zustände nicht mit denen von Muata Janvo
oder der Negerkönigreiche weiter im Norden zusammenwerfen.
Solche Häuptlinge wie Ibaka oder Mpumo Ntaba,
der Nachfolger Miakoko’s, herrschen vielleicht über einige
tausend Unterthanen, gewöhnlich ist aber jedes Dorf oder
jede Niederlassung ein kleiner unabhängiger Staat fü r sich.
Es ist neuerdings häufig davon die Rede gewesen, wie
wünschenswerth es sei, eine Art politischen Zusammenhangs
unter diesen Stämmen einzuführen, sie zu veranlassen, sich
zu einer grossen Nationalität zusammenzuschliessen. Dieser
Gedanke ist bei hohen Autoritäten günstig aufgenommen,
ich muss mir aber erlauben, seine Nützlichkeit zu bezweifeln.
Was bisher Stanley’s Werk gefördert und verhältnissmässig
leicht gemacht hat, war gerade der Mangel an Zusammenhang
unter den eingeborenen Häuptlingen; er hatte kein
grosses eifersüchtiges Königthum zu bekämpfen, wie weiter
im Norden oder Süden der Fall gewesen wäre. Während eine
Dorfbevölkerung es ablehnte, dass er sich unter ihr nieder-
liess, empfing ihn die benachbarte Stadt ohne alle Nebenbuhlerschaft
mit offenen Armen. Es gab eben kein mot d'ordrc^
und dies hat ihn in den Stand gesetzt, wirklich mitten unter
ihnen festen Fuss zn fassen. Durch die Vereinigung der
kleinen dortigen Königreiche zu einer Union — welche unausbleiblich
eine Rassen-Eifersucht gegen den weissen Mann
erregen würde — wird das Eindringen der Cultur in die
1 Nach den neuesten Volkszählungen wohnen auf dem Quadratkilometer
in Deutschland 84, in Oesterreich-Ungarn 61, in Spanien 33,
in der europäischen Türkei und Bulgarien 26, im europäischen Russland
und Finnland 14, in Schweden 10, in Europa überhaupt 32 Menschen.
Die Völker am Kongo. 407
Kongo-Völker aufgehalten und dieses grosse Werk von den
Launen eines afrikanischen Despoten abhängig gemacht werden.
Der schwarze Mann kann nie herrschen, wol aber einen
willigen Unterthan abgeben. Die Völker sind geneigt, in
ihrer gegenwärtigen Lage, Cultur anzunehmen, aber die
Civilisation muss nicht als demüthige Bittstellerin kommen,
sondern als eine Gebieterin.. Sie muss sowol Achtung als
naive Bewunderung einflössen können, und darum hat gerade
die von Stanley geleitete Expedition so viel Erfolg gehabt.
Um dies zn beweisen, wollen wir zum Schluss den Stand
der Dinge am Kongo vor nur sieben Jahren ins Auge fassen
und ihn mit dem gegenwärtigen Zustande O D O vergOleichen. Im
Jahre 1876 waren die europäischen Kaufleute nicht weiter
als bis Borna vorgedrungen, an welchem Ort sie alle ihre
Niederlassungen hatten. Es gab keine einzige Handelsstation
höher den Fluss hinauf. Niemand wusste etwas von
dem Lande oberhalb Isangila, ausser dass alle Eingeborenen
Kannibalen seien. Dann kehrte Stanley, nachdem er als der
erste den Fluss hinab befahren hatte, im Jahre 1879 von
Europa zurück und begann 1880 sein jetziges Werk, welches
trotz vieler natürlichen im Wege stehenden Hindernisse und
der höchstens lauwarmen Sympathie der afrikanischen Handelsgesellschaften,
soweit vorgeschritten ist, dass überall, wohin
Stanley’s Einfluss sich ausgebreitet hat, Leben und Eigenthum
gesichert sind, und infolge seiner Anstrengungen ein
Europäer mit einem Passe „seines Freundes“ Stanley in der
Tasche mehrere hundert Meilen über Stanley-Pool hinaus
reisen darf, ohne der Hülfe einer Schutzmannschaft oder der
Feuerwaffen zu bedürfen.
Seit Stanley’s Ankunft haben die Kaufleute von Borna
15 Handelsstationen zwischen Boma und den Wasserfällen
bei Vivi og eog ründet. Vor 1879 og ab es nicht einen einziogen