wird gestattet, eine glückliche Auswahl bei dem Ueberleben ö 7 0
der Stärksten zu treffen, und wenn ein Kind schwächlich ist,
so gibt man sich keine Mühe es. am Leben zu erhalten.
Infolge davon sind die körperlich Starken in der Mehrzahl,
während zum Ausgleich die Schlausten sich die meisten
Weiber zu verschaffen wissen und die grössten Familien
hinterlassen.
Der „Nganga“ einer jeden Gemeinde ist gemeiniglich ein
mittelmässig aussehender, vielleicht unansehnlicher Mann, aber
ein Blick seines scharfen Auges zeigt sofort, dass er seinen
bärenstarken Nachbarn an geistiger Fähigkeit überlegen ist;
d a rum hat der „Medicinmann“ des Dorfes einen grossen
Harem und hinterlässt eine Menge Nachkommen.
Das tägliche Leben dieses Volkes muss von einer schreck-
liehen Einförmigkeit sein. Einen Kalender führen die Leute
nicht, die unbestimmten Ueberlieferungen werden mündlich
vererbt. Sie führen sozusagen ein Waldleben; grosse Unfälle,
plötzliche Angriffe werden bald verborgen und vergessen,
tiefer gehende Gemüthsbewegungen kommen nicht
vor, während flüchtige Sorgen und Freuden keinen Eindruck
in ihrer hohlen Seele zurücklassen, die nur fü r die Stunde
leb t, denkt und schafft.
Vor der Dämmerung fangen sie an, mürrisch aus dem
Schlaf zu erwachen und die erstorbene Asche des Feuers
zu wärmender Glut anzufachen. Dann setzen sie sich auf
ihre Fersen und kreuzen die Hände über die Schultern, um
sich zu wärmen, weil der frühe Morgen die kälteste Zeit in
Afrika ist; und während die Männer gähnen und sich die
Augen vor der . zunehmenden Helligkeit reiben, schmatzen
die Weiber ihre Kleinen, schelten mit den grössern Kindern
und beginnen mit ihren Herren und Meistern dieses oder
jenes unangenehme Thema zu verhandeln. Der Sonnenaufgang,
die ewige Auferstehung, welche selbst die Thierseelen
in der Natur erfreut,, macht diesen verdriesslichen
Erörterungen ein Ende. Die Weiber treten aus den Hütten,
um ihre Nachbarn zu begrüssen und an ihre häuslichen
Arbeiten zu gehen, die Männer setzen ihre Waffen und
Jagdgeräthe in den Stand und schicken sich an, nach ihren
Vogelschlingen und Fischfallen zu sehen, oder sie packen
ihre Sachen für einen benachbarten Markt ein und wandern
ihrer Bestimmung zu, bevor die Sonne zu hoch steigt.
Wann sie ihre regelmässigen Mahlzeiten halten, ist schwer
zu sagen. Die Kinder scheinen immer an etwas zu nagen,
und die Weiber bereiten beständig Nahrungsmittel. Ich
denke, die Erwachsenen essen meistens eine Stunde nach
Sonnenaufgang und endigen vielleicht mit einer ändern
Mahlzeit am Abend.
Nach dem Morgenessen gehen die Weiber aus, um ihre
Felder zu bestellen, oder sie machen sich an eine Handarbeit,
weben und fertigen thönerne Geschirre oder Hühnerkörbe
fü r ihre Hennen und Küchlein. Um Mittag ruhen
alle im Schatten der Verandas, rauchen Taback oder verbringen
die schwülen Stunden mit Frisiren, Putz und freundschaftlichem
Geplauder. Wenn die Sonne sinkt, wird irgendeine
nützliche Arbeit wieder aufgenommen und nach Sonnenuntergang,
wenn die Männer zum Dorf zurückgekehrt sind,
wird Palmwein getrunken und getanzt, und in Ermangelung
ändern Zeitvertreibs — wie z. B. das Verbrennen einer der
Zauberei angeklagten Person — damit fortgefahren bis zu einer
späten Nachtstunde, bis alle in recht heiterer Stimmung und
unter lautem Gespräch sich zum Schlafen zurückziehen, um
am ändern Morgen jämmerlich und verdriesslich aufzuwachen.
Ich habe eine kurze Beschreibung der Stämme gebracht,
welche am untern Kongo zwischen Stanley-Pool und der