Gewässer hineinzufahren, als er den klaren Wasserhorizont
sich vor seinen Augen ausbreiten sah.
Der Pflanzenwuchs, welcher die steilen Abhänge an dem
südlichen Ufer des Stanley-Pool bekleidet, da wo der obere
Strom in ihn eintritt, ist eins der grossartigsten Schauspiele,
welche der Kongo bietet. Fast senkrecht aus dem Wasser
aufsteigend klimmt der Wald die Berghänge hinan, hoher
als das Auge reichen kann und ohne eine einzige Unterbrechung
in seiner Ueppigkeit. Die Verschiedenartigkeit der
Farben ist ganz besonders überraschend in dieser Jahreszeit,
da fast alle Bäume in Blüte stehen. Ein Baumwipfel ist mit
scharlachrothen Blumen bedeckt, welche 1 von frei©g ebi©ger Hand
darüber ausgestreut scheinen; ein anderer lässt blassweisse
Blüten anmuthig an langen Stengeln mitten durch dunkle
Laubmassen senkrecht herunterhängen, während Schlingpflanzen
von ungewöhnlicher Grösse ihre gelben und purpurnen
Blüten über die von ihnen umschlungenen Opfer hinausstrecken.
In dieser Stufenfolge von grünem Laube ist jede
Schattirung vertreten, und auch die Bäume, welche dieses
massenhafte Laub tragen, verändern ihre Farbe von blaugrün
nach grünlichgelb und von grünlichweiss nach braunroth, und
unterscheiden sich ebenfalls in Form und Aussehen von einander.
Während einige geschlossene Massen von Laubwerk
bilden, wachsen andere einsam und in unordentlichen Haufen
auf. Schöne Mimosen beherrschen ihre Nachbarn, die in
Laub von dunkelgrünem Sammt gekleidet sind; Dracaenen
erheben hier und da ihre spitzen Häupter hoch über die
weichen grünen Massen empor. Die grossen glatten Blätter
eines Feigenbaums wechseln ab mit den federigen Palmwedeln,
während zahlreiche Baumstämme völlig verhüllt
werden von einem Netze von Schlingpflanzen, welche sie
wie ein vegetabilisches Spinnengewebe verdecken. Die Calamuspalme
bildet einen Zaun wie von Pfählen, indem sie
am Rande des Wassers gerade aufsteigt und wirksam den
Zugang zu diesen feenhaften Wäldern zu verbieten scheint,
während längs des Saums des Flusses Reihen weisser Lilien
wie Schildwachen dastehen, um zu bezeugen, dass die Grenze
noch nicht überschritten ist.
Noch vor Abendzeit erreichten wir K im p o k o , eine neuerdings
am nördlichen Eingänge zum Stanley-Pool angelegte
Station. Dort begrüsste mich beim Landen das freundliche
Gesicht von Lieutenant Coquilhat, und nach einer viermonatlichen
Entfernung von allem was mit der Aussenwelt
zusammenhänOg t,/ verhinderte diese Rückkehr zu den Grenzen
der Civilisation (welche nach Stanley jetzt am Stanley-Pool
liegen) mich bis spät in die Nacht vollständig am Einschlafen,
weil ich den armen Coquilhat beständig erzählen liess und
mit ihm die europäischen Ereignisse eines halben Jahres
durchging.
Am folgenden Tag setzte ich meine Reise nach Leopold-
ville wieder fort und fuhr drei Stunden lang zwischen In seln
und Sandbänken und auf den grossen stillen Wassern
des Pfuhls dahin. Die „D o v er-K lip p en “ glitzerten in der
Morgensonne mit ihrem blendenden kalkartigen Scheine, und
sahen mit dem weichen grünen Grase, welches die scharf
abgeschnittenen Ränder krönte, ganz englisch aus. Ich kam
gegen Mittag in Kinschascha an und sah dort den '„Royal“
und eine ganze Flotte anderer Boote. Stanley war hier,
wie man mir erzählte, um eine Besprechung abzuhalten.
Ich landete, wanderte durch hohes üppiges Gras an den
vielen von ihren Bewohnern verlassenen Negerhäusern vorbei,
bis nach dem Mittelpunkt der Ansiedelung hinauf,
einem grossen, von hohen Pallisaden umschlossenen Raume,
wo unter dem Schatten prächtiger Affenbrotbäume und in