nicken die am Wasser stehenden Bäume wie gelähmt, wenn
die schwere Strömung sie trifft, aber weiter hinauf wird das
Laubwerk fest, reich und majestätisch und steht vornehm
unbewegt, trotz der tobenden F lu t da unten, wie eine ungebeugte
Aristokratie trotzig auf die tollen Sprünge einer
demokratischen Strömung herniederschauend, welche so weit
unter ihr tollt. Indessen fliesst der Strom, so sehr er auch
rast, doch seinem Ziele, dem Meere, zu; und dann lässt er
die stolzen Bäume entweder weit, weit hinter sich, oder er
wäscht sie mit grausamer überwältigender Kraft aus ihren
Grundvesten heraus und fü h rt die armen Schlachtopfer mit
sich, damit sie in den Wasserfällen zu Stücken zerschmettert
werden oder mit ihren zerrissenen Fragmenten die entfernten
Ufer bedecken, wohin die Wellen des Stromes oder der See
sie treiben.
Die Ansichten von F lu ss, Wald und Klippen sind so,
schön hier auf diesem kleinen Dammvorsprung, dass ich in
meiner Phantasie schon den Tag zu sehen glaube, wann die
Zivilisation den Kongo erreicht und Plätze wie diese zum
Wallfahrtsort der Reisenden und Naturfreunde gemacht hat;
wenn eine Eisenbahn vom Meere aus angelegt ist mit einer
„Station der Ngoma-Wasserfälle“ , mit Omnibussen und
ihren sich überschreienden Führern. „Hierher, meine Herren,
zum «Hotel zum schönen U fe r» “ ; „Zum Wirthshaus «zum
Wasserfall», mein H e rr, sehr bequem, lieber H e rr, mit
prächtiger Aussicht“ u. s. w. Dann gibt es Prospekte und
Anzeigen in d em ' „Morgenblatt von Isangila“ oder dem
„Abendblatt vom Kongo“ . In welche Verlegenheit mag
dann natürlich der arme Reisende gerathen, wenn er zwischen
dem W irthshaus „zum Wasserfall“ mit „20 Morgen tropischen
Urwalds daneben“ und dem „Hotel du Beau Rivage“ zu
wählen hat mit seinen Billards und Tanzsälen!
Als ich die Stelle verliess, wo ich über diese Möglichkeiten
geträumt hatte und nun die „20 Morgen tropischen
Urwalds daneben“ betrat, konnte ich dem Bedauern und
dem Kummer nicht entgehen, wenn ich an die Entwürdigung
und Gemeinheit dachte, welche dieser heranrückenden Cultur
nachfolgen würde. Wie lieblich sah die Waldung jetzt aus
in ihrem jungfräulichen Zustande! Die Menschen hatten sich
nur so weit mit ihr abgegeben, um einen bescheidenen Fuss-
pfad, nichts weiter, durchzulegen. Man konnte hineinsehen,
weit, weit durch das Labyrinth dunkeln Laubes und grauen
Gezweigs hinunter auf das blinkende Wasser, welches unter
den kräftigen Bäumen in stillen ruhigen Seitengewässern
dahinfloss. Ein schöner, halb durchsichtiger Vorhang stand
zwischen mir und der brennenden Sonne, welche durch die
ßxossen, sich weit ausbreitenden Blätter & * Schachte voll Licht
hinuntersandte, und ganze Massen Laubwerks mit einer
goldig-grünen Strahlenkrone übergoss. Ganz hinten in der
dunkelrothen Einsamkeit des Waldes, gab es geheimnissvolle
Möglichkeiten, ein endloses Feld fü r Vermuthungen und
flüchtige Gedanken. Welche seltsamen Geschöpfe möchten
wol in seinen Tiefen hausen? Welche Waldtragödien spielten
da wol des Nachts, wenn der Leopard auf eine Familie
schlafender Affen zustürzte und der Wald zu plötzlichem
Klaseschrei erwachte. Vielleicht konnte man hier während
der Nacht die grossen Elefanten junge Pflänzlinge niedertreten
hören und sich von den saftigen Blättern und jungen
Schösslingen nähren sehen. Jedenfalls ist man überzeugt,
dass die weite grüne Dunkelheit sich weit, weit in jeder
Richtung erstreckt, und dass man sich' nicht plötzlich vor
einer Reihe Villen am ändern Ende wiederfindet. Und
wenn man gesättigt und erfüllt von Schönheit den Wald verlässt,
so ist es geradezu erquickend, dass der Weg nun längs