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und niedersten Thieren in Wirklichkeit nicht vorhanden ist, dass vielmehr
von gemeinsohaftliohen Anfängen ausgehende Organismen Gruppen
darstellen, die sich erst hei der Weiterentwicklung zu auseinandergehenden
Reihen gestaltet haben.
Auf dieser Grenzsoheide zwischen Thier- und Pflanzenreich stehen
von Seiten der Pilze (nach heutiger Umgrenzung): Myxomyceten, Baote-
rieen und auch einige Chytridieen, von Seiten des Thierreiches: Amöben,
Gregarinen, Labyrinthulinen u. s. w., gewisse Flagellaten, wie viele
Monaden u. s. w. Es ist demnach der Ansicht des speciellen Systematikers,
Zoologen oder Botanikers überlassen, wo er die Grenze ziehen
will, und es erscheint ebenso berechtigt, einzelne Amöben mit den
Myxomyceten zu den Pilzen zu rechnen, als wie diese mit den Amöben
vom Pflanzenreiche zu trennen, ebenso einzelne der bisher als
Infusorien aufgezählten Monaden zu den Schizomyceten oder Chytridieen
zu stellen oder umgekehrt*).
Von den negativen Merkmalen, welche die Pilze von den anderen
Sporenpflanzen unterscheiden, ist das wichtigste der Mangel des Chlorophylls
oder eines ähnlichen Farbstoffes. Die Pilze sind oft an Farben
reich, zeigen in den Färbungen wohl sogar eine viel grössere
Manniohfaltigkeit als irgend eine andere Abtheilung der Sporenpflanzen,
aber keiner ihrer Farbstoffe, die chemisch ausserordentlich verschieden
zu sein scheinen, besitzt die physiologische Eigenschaft, die
den blattgrünen, spangrünen und braungrünen Farbstoffen der höheren
Sporenpflanzen und unter den Thallophyten den als Algen bezeichne-
ten Familien zukommt, nämlich die, dass bei ihrer Anwesenheit unter
der Einwirkung des Lichtes die Kohlensäure der Luft zersetzt, der
frei werdende Kohlenstoff von der Pflanze assimilirt werden kann.
Dadurch wird ein fundamentaler Unterschied in der Ernährung bedingt,
welcher auch auf die Formgestaltung bei der Bildung der Arten nicht
ohne Wirksamkeit sein konnte.
Lebensweise der Pilze. Durch dieses Verhältniss sind die
Pilze gezwungen, ihren Kohlenstoff einer schon vorher gebilde-
*) Das Studium der Monaden wird für den Mykologen immer wichtiger.
A u sse r den Specialarbeiten, besonders denen von G i e n k o w s k i , sind als
Gesammtdarsteliungen zu Grunde zu le g e n :
w . S a v i l l e K e n t , A manual of the Infusoria. London 1 8 8 0 - 8 2 . II I. vol.
K. M. D i e s i n g , Revision der Prothelminthen. hh&eWuag Mastigophoren.
W ien 1866.
F r . S t e i n , Der Organismus der Infusionsthiere. Bd. II. III.
0 . B ü t s c h l i in H. G. Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreichs.
I. Band Protozoa, Mastigophora. S, 617—864 (noch unvollendet).
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ten organischen Substanz , das heisst den zusammengesetzteren
Kohlenstoff-Verbindungen zu entnehmen. Sie thun dies, indem
sie entweder auf abgestorbenen, wohl auch mehr oder weniger
zersetzten organischen Substanzen wachsen und werden dann als
Saprophyten bezeichnet, oder indem sie sich auf oder in
lebenden Organismen ansiedeln nnd aus diesen ihre Nahrung
ziehen; in diesem Falle bezeichnet man sie als Paras i t en.
Eine skarfe Grenze zwischen Saprophyten und Parasiten besteht nicht,
denn es giebt Pilze, welche für gewöhnlich als Parasiten leben, aber
auch künstlich in Nährlösungen gezogen werden können, und sich
auch nach dem Absterben der Nährpflanze auf der abgestorbenen Substanz
weiter entwickeln (faeultativer Paiasitismus), z. B. von Disco-
myceien die Sclerotmia-kiten, von Pyrenomyceten viele Nectnaceen
u. s. w.; nach Br ef eld ’s neuesten Untersuchungen lassen sich sogar
die Ustilagineen auf dem Objeotträger züchten'). Viele Pilze sind wahrend
eines Theiles ihres Lehenscyklns echte Parasiten und werden
hierauf Saprophyten. So bilden z. B. viele Ascomyceten auf lebenden
Pflanzentheilen (Blättern, Stengeln) eine erste oder mehrere verschiedene
Fruchtformen (sogenannte Spermogonien, Pykmden, Stylosporen)
aus und entwickeln ihre abschliessenden Ascosporenfrüchte erst an
dem abgestorbenen Nährmaterial. Der Parasitismus ist in der Mehrzahl
der Fälle für die befallenen Theile von zerstörender Wirkung,
sie sind dadurch die Ursache für Erkrankungen der befallenen Organismen,
veranlassen sogar oft das Absterben derselben. - - Bei den
Untersuchungen der Pflanzenkrankheiten ist es von Wichtigkeit, das
erste Auftreten des Parasiten und die unscheinbaren Vorfrüchte
auf den lebenden Pflanzen zu beachten, welche oft besonders die schnelle
und massenhafte Verbreitung des Pilzes befördern und dadurch die
Schädigung allgemein machen, während durch die auf den abgestorbenen,
resp. von dem Pilzmycel getödteten Nährboden entwickelten Endformen
die Dauersporen für die nächste Vegetationszeit ausgebildet werden-
Die Pilze, welche Krankheiten des thierischen und menschlichen
Körpers veranlassen, werden gewöhnlich als pathogene Pilze bezeichnet.
Man kann zwischen nothwendigem (obligatorisehem) und zufälligem
(facultativem) Parasitismus unterscheiden, je nachdem die Pilze n o t wendig
in oder auf den Körper gelangen müssen, um ihren Ent-
wioklungskreis zu vollenden oder ihn auch ausserhalb desselben voll-
1) 0 . B r e f e l d h a t die A rt des echten und facultativen Parasitismus am
schärfsten aufgehellt: Untersuchungen über Schimmelpilze, IV , Leipzig 1881,
und über Hefenpilze.