29. Ok to b e r . Um Viertel vor 6 Uhr erglänzten plötzlich
die Baumwipfel in rotem Licht, um bald wieder zu erblassen,
worauf dann der Sonnenaufgang erfolgte; es war offenbar eine
Art von Alpenglühen gewesen.
Wir begannen nun die eigentliche Besteigung des Wawo-
karaeng, anfangs auf gutem, nicht sehr steilem Bergpfad durch
Fig. 115 . Lomaría Patersoni Spreng, und L. capensis Willd., Rasen bildend.
ziemlich lockeren Wald mit wenig Unterholz. Alle Stämme
waren von einem fußdicken Polster von Moosen, wie von schwerem
Winterpelz, eingehüllt; von der Sonne bestrahlt, leuchteten sie
auf wie grüngoldene Säulen eines Palastes.
Im großen ganzen folgten wir einem Grate; höher oben wurde
der Berg turmartig steil und felsig, so daß stellenweise etwas
geklettert werden mußte.
Moos überzog hier den Boden in solchen Massen, daß es
zuweilen von Felsblock zu Felsblock eigentliche Brücken, wie
Schneebrücken im Hochgebirge, bildete; an solchen Stellen brach
man öfters bis zum Knie, ja bis zur Hüfte ein. Auf diesen
Moosrasen blühten in Menge glänzend blaue, großglockige Gen-
tianen, so blau wie irgend eine in unseren Alpen (G. lateriflora
Hemsl.).
Etwas unterhalb vom Gipfel befand sich ein kleines Sod-
brünnchen und dabei ein Opfergerüst mit Gaben. Unser Bergpriester
erbat sich ein silbernes Halbguldenstü'ck, murmelte ein
Gebet und warf es in’s Wasser, ihm nachschauend, bis es auf
dem Grunde angekommen war. Es genießt hier oben auch ein
Felsblock Verehrung, der von weitem wie ein Pferd oder wie
ein Ochse aussieht; er trägt ein Halsband von Rotang, und jeder
Vorübergehende entnimmt seiner Oberfläche ein Büschelchen
Moos, das er sorgsam zu sich steckt. Der Block ist daher zum
Teil schon ganz rein gescheuert.
Auf dem Gipfel selbst ist wiederum ein Opferplatz. Im
Kreis gestellte Steine umgeben zwei lose Felsstücke; man opfert
hier Tabak, Betel und andere Kleinigkeiten. Es ist eine merkwürdige
Analogie, daß in gleicher Weise, wie seltene und altmodische
Tier- und Pflanzenarten vor der alles vernichtenden
Kultur sich nur in den Bergwäldern erhalten können, so auch das
alte Heidentum vor den Wellen des Islam sich in solche unwirtliche
Höhen zurückgezogen hat.
Vom Gipfel aus hat man keine oder wenig Aussicht, da er
rings von Buschwerk umgeben ist; auch stellt er keine scharfe
Spitze, sondern einen Rücken dar. Einem kleinen Pfade folgend,
gelangt man aber bald zu einem Felsabsturz, der gegen einen
gewaltigen, dichtbewaldeten Graben steil abfällt. Was wir hier
sahen, überraschte uns außerordentlich. Als südwestliche Begrenzung
dieses Grabens erschien eine gewaltige, starre, zackige
Felsenmauer, deren höchster Teil, wie die Beobachtung mit dem
Horizontalglas ergab, deutlich, wenn auch nicht viel den Wawo-
karaeng überragte. Unser Bild (Fig. 1 16) gibt den Blick auf diese
wilde Felsenmauer wieder. Das ist der Lompobättang, aber nicht
etwa die Spitze am Hauptkraterrand, welche wir früher in gutem