im Stehlen sei, und er müsse Proben ablegen. Dem Neugeborenen
werde sofort die Hand durch eine Spalte gesteckt, um
es beizeiten auf’s Stehlen einzuüben; solche und andere Geschichten
erzählen sie von Tatangan.
An den Bergketten, welche das Palutal einrahmen, wurden
wir gewahr, daß sie nicht in gerader Flucht weiter streichen;
vielmehr erscheinen sie in große Teilschollen zerklüftet, deren
jede einzelne Nordost — Südwest gerichtet ist; zusammen aber
setzen sie ein nordsüdlich streichendes Kettensystem zusammen;
wir konnten dies Verhältnis durch ganz Central-Celebes hin verfolgen,
worauf wir nochmals zurückkommen werden. Der Ngila-
laki erscheint von Palu aus als ein rein kegelförmiger Berg,
was uns glauben ließ, er sei ein Vulkan. Die Weiterreise bewies
uns, daß dies eine vollständige Täuschung war; der Ngilalaki
ist vielmehr eine in ungefähr Nordsüd-Richtung streichende Kette,
welche man von Palu aus im Querschnitt sieht, so daß sie als
blaue, kegelförmige Silhouette erscheint. Der Querschnitt eines
Kettensystemes kann aus der Ferne gesehen fälschlich als eine
rechtwinklig zur wahren Streichrichtung gerichtete Kette erscheinen,
der Querschnitt einer Einzelkette, eines Kammes, als
vulkanartiger Kegel.
Wir hatten Leute nach einer höheren Stelle im westlichen
Gebirgszuge abgeschickt, um von anstehendem Gestein Proben
zu holen. Sie brachten weißgraue, körnig-krystallinische Stücke
heim, wohl eine Art Diorit. Die Differenzen, welche aus dem
vorliegenden Berichte gegenüber unserer Darstellung im vierten
Bande unserer Materialien in geologischer Beziehung sich ergeben,
werden wir an einem anderen Orte besprechen. Wir bemerken
aber für Specialisten, daß unsere Gesteinsbenennungen in diesem
Berichte auf vorläufigen Schätzungen, nicht aber auf einer genauen
Untersuchung beruhen, welche wir später vornehmen wollen.
Unsere astronomische Beobachtung ergab für die Lage unseres
Hauses o° 52 ,1' S. B. und 1 19 0 51 >7' Ö. L . G., welches Ergebnis
mit der neuesten Seekarte sehr gut übereinkommt.
9. Ju li. Der Gouverneur hatte sich entschlossen, solange
vor Palu mit seinem Dampfer liegen zu bleiben, bis unsere E x pedition
flott geworden sei. Vergebens erwarteten wir den Fürsten
von Tawaöli mit den Trägern. Erkundigten wir uns beim Palu
nach dessen Ausbleiben, so war er nicht aus seinem nichtssagenden
Lächeln herauszubringen und ließ sich nur über gleichgültige
Dinge zum Sprechen bewegen. Endlich traf der Tawaöli ein, aber
ohne die Träger, so daß Brugman die Herren aufforderte, ihn
sogleich zum Gouverneur auf’s Schiff zu begleiten. Da auch der
Fürst von Banawa uns nach Palu an Land begleitet hatte, so
fuhr nun Brugman mit seinen drei Königen nach dem „Schwan“ ,
während wir im Orte spazieren gingen und unsere Beobachtungen
fortsetzten.
Fast jedes der Pfahlhäuser steht in einem kleinen Garten,
worin besonders Granatbäume auffallen. Die Giebelenden der
Häuser sind mit schönen Schnitzereien versehen, die noch fortwährend
in einem geschmackvollen Stil verfertigt werden; wir
besuchten den Künstler und erwarben ein gutes, neues Stück.
Ein größeres, rechteckiges Gebäude ist die sogenannte Barüga,
aus mächtigen Balken cyklopisch errichtet; drei riesige Baumstämme
tragen das Dach; übermäßig dicke Planken bilden den
Boden und setzen auch die seitlich angebrachten Sitzplätze zusammen.
Skulpturen fehlen; auch hängen keine Schädel darin,
wie in den entsprechenden Gebäuden der Toradjas, den sogen.
Lobo’s, welche, außer zu anderen Zwecken, auch als Tempel für
die Verehrung der Geister dienen. Hier in Palu ist diese letztere
Funktion durch eine kleine Moschee, Messigit, abgelöst, und die
Kopfjägerei verbietet der Islam. Diese Barüga dient wohl nur
noch als Ratshaus; doch scheint sie seit langem gar nicht mehr
benutzt worden zu sein; denn überall im Innern war das Gebäude
mit dickem Staub bedeckt. Seine solide Bauart weist
auf eine Vergangenheit hin, die ein hohes Kraftbewußtsein hatte,
vielleicht auf eine Zeit, da Palu einst das mächtigste der dortigen
Königreiche war, bevor das Reich von Sigi die führende Rolle
übernahm.