
Bacillus subtilis.
Im April 1877 erhielt ich vom landwirthschaftliclien Tlinisterium in Berlin
durch die Vermittlung der Veterinär-Commission, specicll des Hr. Gehehn-
ratli Dr. Vinhuw den Auftrag, eine Hntcrsuchung über die Bacterien - Gattung
Bacillus auszuführen, die kurze Zeit vorher ersehicncnon Beobachtungen von Cohn
und Koch über die Entwicklungsgcschielite des Bacillus subtilis und namentlich
des B. Anthracis, welche zu dem Aufträge die Veranlassung gegeben hatten, sollten
bei der ITiitcrsuchung eine eingehende Berücksichtigung finden.
Die llesultate meiner Untersuchungen habe icli im Spätherbst 1877 dem
Ministerium cingesandt und im l'rülijahr 1878 hei den natnrforschonden Freunden
in Berün') vorläufig nütgetlieilt, als ich zu der Uehcrzeugung gekommen war,
dass es hei dem Vlangel an Hülfsmitteln, namcntlicli an geeigneten Räumlichkeiten
für diese Untcrsuclnmgen unmöglich sei, sie mit sicherem Erfolge weiter zu
führen. Ihre nachträgliche Wiederaufnahme wurde zunächst durch meine Uchcr-
siodelung von Berlin nach Kberswaldc lünausgeschohcn, dann durch meine Krankheit
unmöglich gemacht; sie wird erst im nächsten Jahre wieder cintreten
können.
Als nächstes Object für die Untersncliung wählte ich den Bacillus subtilis,
mit welchem ich im Verlaufe meiner rilzculturcn schon seit langer Zeit
B r e f e ld , U e b e r B a c illu e . Ä b b im d lu n g e n d e r G e s e l ls c h a f t n a tu r f . F r e u n d e in B e r lin am
1 9 . F e b r u a r 1 8 7 8 .
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eine nälicre. wenn audi wenig' freniidseliaftliclic Bekauntscliail geinaclit hatte,
und wcleher nach den Angahen von Cohn und Kudi'j in der Form völlig mit
dem B. Anthracis ühereinstimmcu soll.
Heber die grosse Verbreitung des B. subtilis war ich durcli zahlreiclie
Erfahrungen unterrichtet, als ich seine Untersuchung begann. Es war mir
bekannt, dass cs vorzugsweise die Kdino dieses Bacillus sind, welche sich in alle
('ulturcn eindrängen und ihren Verlauf stören; es war mir auch weiter bekannt
dass das gowöhiiliclic Mittel zur Beseitigung fremder Pilzkeime, ein .Aufkoclien
oder Abbrülien, für die \'ertilgung des Bacillus niclit ausreichend ist. Ueber das
V o rk om m en des B a c illu s in d e r N a tu r uiul über seine Entwicklungsstätten
ergaben bald neue Beobachtungen den gcwürisclitcu Aufschluss. Als eine schon
äusserlicli auffallende Erscheinung kommt der Bacillus auf dem Miste von Ve-
getabilicn fressenden Tliieren vor. Die weisscn Eflioresccnzen, welche die Ober-
ilächo des Mistes häufig üherzielicn, sind hauiitsächlich Keime, Sjioron, von Bacillus.
Auf Alistjauche bestellen die Flaute, welche sie liäufig als dicker faltiger
Kahm bedecken, meistens aus den Stäbchen des Bacillus. •— Auf weniger reichen
Nährsubstraten ist der Bacillus äusserlicli nicht sichtbar, aber unschwer durch
nähere Beobachtung nachweisbar. Man kann fast sagen, dass er sich überall
findet, wo organische Substanz durcdi AVasser aufgeweicht oder gelüst sich dar-
bictet, dass namentlich schmutzige Orte seiner Ansiedelung günstig sind. Um
seine Entwicklung zu vollenden, genügt ein einmaliges Aufweichen und langsames
Abtrocknen dos Substrates in der Frist von einigen Tagen. Geringe Alengen
organischer Substanz in AA^asser'gelöst reichen schon für die A''cgctation aus, die
aber durch gar zu schnelles Eintrocknen wieder gehemmt wird. Nur eine saure
Beschaffenheit des Substrates ist der Entwicklung des Bacillus hinderlich. — Bei
den häufigen und roiclien Entwicklungshecrdcn des Bacillus in der Natur ist
es unvermeidlich, dass seine kleinen Keime, sobald sic ausgetrocknet sind und
verstäuben können, eine überaus weite Verbreitung finden. Sic sind in der Luft
und in dem Staube, der sich gesenkt liat, auf das leichteste nachweisbar. Sie
haften an der OberHäche beliebiger Gegenstände, welche frei und offen an der
Luft gestanden haben. Es genügt schon eine Abkochung von oberirdisclien
9 C oh n , B e it r ä g e zu r B io lo g ie , d ie A u f s ä t z e ü b e r d ie S p a ltp ilz e in d e n v e r s c h ie d e n e n H e f t
en d e r Z e it s c h r i f t , n am e n t lic h B a n d I I , H e i t I I , T a f e l X I .