
XVII. Ustilago longissima Sowerby.
T a f e l V n i u n d IX , F ig u r 1— 1 6 .
ln sumpflgen Avasscrreicheii Gegenden dürfte es sclnver halten, den kleinen
l ’arasiten auf den verschiedenen Glyceria-Arten niclit zu finden, so allverbrcitet
ist sein \ orkonnncn. Besonders üp])ig und charakteristisch tritt er in den Blättern
A’on Glyceria aquatica auf, die bekannten langen hellbraunen Streifen bildend,
nacli welchen er benannt ist. Schon im Alai fand ich reife kciinfäliige Sporen
des l’ilzes in den Brandstreifen, und noch im October habe ich sie nicht ver-
gchlich gesucht; die Streifen sind überreich angcfüllt mit den .kleinen, unregclmässig
runden, glatten Sporen, die offenbar nur langsam durch den AVind verwehen.
Die einzelnen Sporen sind klein {= 4—7 g), wenig gefärbt nnd durchscheinend.
A’ielfach sieht man ein Fetttrüpfchen in ihrem Innern, Avelches mit
der Keimung langsam verschAA-indet. Die längst bekannte K e im u n g in
AA a s s e r 'i tritt schnell ein. An Avarmen Tagen sieht man schon nach 3—4
Stunden die Spitze eines Keimlinges aus einer feinen Oeffnung in der Alembran
herauskommen. Die Spitze wird länger und die längliche Spindelform des Keim-
linges tritt deutlicher hervor (Taf. ATII, Fig. 1). Dicht an den Sporen zeigt sich
eine Verjüngung und an dieser wird der Keimling abgegliedert. Bei Culturen
im AA'assertropfeii des Objectträgers liegen schon nach 12 Stunden die abgestossenen
Keimlinge umher und nur noch vereinzelte sieht man an den Sporen
sitzen. A ergleicht man die Alenge der Keimlinge am folgenden Tage mit der
Zahl der Sporen, so sind die Sporen in der Alinderzahl nnd dies lässt schon
vermuthen, dass mehr Avie ein Keimling von den Sporen gebildet Avird. Durch
eine E in s te llu n g e in z e ln e r S p o ren in d en K am m e rn Avar die Entscheidung
liierüber im AA'ege directer Beobaclitung leicht nnd sicher zu treffen. In Eig.
2. 1—6 ist die Reihenfolge der beobachteten Zustände dargestcllt. Naclidem der
erste Keimling ahgestossen war, Avurde ein zAveitcr von der Spore gebildet, dann
Avar ihr Inhalt erschöpft. Sehr kleine Sporen trieben nur einen, sehr grosse
sogar 3 Keimlinge aus. Auf einer feinen, meist sehr kurzen Spitze an der
W a ld h e im . 1. c . d e r J a h r b ü c h e r 1 S 6 0 / 7 0 .
S p o re Avnrdc d e r zAvcitc K e im lin g g e b ild e t, n a c h d em d e r e rs te a h g e sto s sen Avar.
A n d e n K e im lin g e n h a b e ich k e in e a n d e re A 'e rä n d e ru n g b e o b a c h te n k ö n n e n ,
als d ie, d ass sie v e rd a rb e n u n d m ite rg in g e n ; h ie u n d d a sa h ic h Avohl m a l e in e n
k u r z e n F a d e n fo r ts a tz , Aveiss a b e r n i c h t s ic h e r, oh e r n i c h t s c h o n m it d e r B ild u n g
a n d em K e im lin g e v o rh a n d e n geAveson ist.
AVie kommt nun der Pilz in die Nährpfianze? Kann er mit diesen trägen
Keimen eindringen? Dies ist kaum denkbar. Und doch ist der Parasit so all-
vcrbreitet. AATe soll mit Kcimresultatcn, Avie die hier in AVasser erhaltenen, seine
Verbreitung begreiflich Avcrdcn? — Die Lücke in unseren Kenntnissen von den
passiven Keimen bis zu dem allvcrhreiteten Parasiten ist so gross, dass man kaum
begreifen kann, AA'ie alle früheren Beobachter an ihr vorübergekommen sind, ohne
in sie cinzulenken. Das Dogma vom Parasitismus verdeckte ihren Eingang.
Die Ust. longissima AA'ar im Sommer 1881, hald nachdem ich meine Arbeiten
wieder anfgenommen hatte, die zAveitc Form von Brandpilzen, die ich der
künstlichen Cultnr unterAvarf. Nach dem Z u s a tz e v o n N ä h r lö s u n g zu den
Sporen war schon über Nacht eine geradezu fabelhafte EntAvicklung eingetreten.
Sparrige Fäden, dieselben (¡onidien tragend, AA-ie sie aus den Sporen keimen, erfüllten
den Culturtro])fen; die Hitze von 23*^, Avelche gerade herrschte, hatte
ein übriges gethan, die seltsamen Bildungen in solcher Alenge zu entAvickcln
(man vergl. die Bilder auf Tafel A'IH). Ich sah bald ein, dass es eine fruchtlose
Alühe sein Avürdc, sich in diesem Alateriale zu orientiren, nm so mehr, als
ja überhaupt nur die AA'ahrscheinliclikeit gegeben Avar, dass die Bildungen ans
den Keimungen der ausgesäcten, freilich ideal reinen Brandsporen herstamniten,
und diese hat wissenschaftlich keinen erheblichen AA'erth. A'on der Fortsetzung
der Culturen auf Ghjectträgern Avar zunächst kein zuverlässiges Resultat zu er-
Avarten, d ie c o n tin u ir li c h c B e o b a c h tu n g e in z e ln e r S p o ren in den Kammern
musste den Ansschlag geben.
Die Schnelligkeit der Keimung nnd der Entwicklung der gesehenen Keimlinge
in den Nährlösungen orAvägend, setzte ich erst am Alorgen und zAvar möglichst
früh eine Reihe von Culturen in den Kammern an, um die Keimung der
Sporen uud die Aveiteren Entwicklungsstadien in lückenlosen Reihen beobachten
zu können. In den Fig. 2— 7 sind v e r s c h i e d e n e R e ih e n b e o b a c h tu n g e n
dargestcllt. Die ersten Bilder der Reihen sind in kürzeren Intervallen von etAva
2—3 Stunden gezeichnet, die letzten liegen in der Zeit Aveiter auseinander.
B ro f s lc l, Boten. Uiitersneliiiugeii. V. 14