In Rücklicht auf die obige Frage gilt aber noch eine zweyte Bemerkung.
Ich glaube zeigen zu können, dafs der Geruchsnerve nicht blos des Geruchs
wegen mit den Haupttheilen des Gehirns aufs innigfte vereinigt ift. Um
diefen Satz darzuthun, werden wir zuvörderft die Biechfortfätze und den
Geruchfinn der Thiere mit den Riechnerven und dem Gernchßnn des
Menfcheu vergleichen.
Die Yerfchiedenheit der Riechfortfätze des Thiergehirns von den
Riechnerven des Menfehen fiel fchon frühem Anatomen auf. Einige fuchtelt
diefe durch die unrichtige Vorausfetzung auszugleichen, dafs die Riechnerven
einen ähnlichen Cänal wie jene F-ortfätze hätten; Andere wollten
die Riechfortfätze nicht für Nerven, fondern für Ausleerungsorgane des
Gehirns gelten- laßen. Die letztere Meinung wurde in einer, unter J. H.
S le v o g t ’ s Vorfitz zu Jena herausgekommenen Diflertation q) vertheidigt,
die aber wenig oder gar keine eigene Unterfuchungen enthält. In fpätern
Zeiten behauptete J. W e i t b r e c h t r) nicht die ganzen Riechfortfätze,
fondern blos die weifsen, den Geruchsnerven des Menfehen ähnlichen
Markltreifen, die längs der untern Fläche diefer Theile zur Siebplatte
gehen, wären die eigentlichen Geruelisnerven der Thiere; die übrige Malfe
der Forifätze diente den letztem blos zur Unterftützung und wäre den
Thieren nur darum verliehen, weil der Vorderllieil des Gehirns hey ihnen
nicht wie beym Menfehen bis zum Siebbein reichte, die weichen Geruchsq)
Diff. qua proeeßus cerebn mammillareSj ex nervorum olfactoriorum numero exemtos,
difquifitioni fubmittit J. O. H o r f t iu s , In H a l l e r i difputat. analom. felect,
Yol. ]J. p. 84^.
r) De vera figmficatione procelluiün mammillari'am cerebri, In Commcnlar« Acad.
feiern. Petropol, T. XIY. p, 276.
nerven alfo ohne Forifätze unbefeftigt und unbedeckt eine weite Strecke
von ihrem Urfprung bis zu ihrem vordem Ende hätten durchlaufen rnülfen.
W e it !) re ch t’ s Meinung entfprach den Anfichten feiner Zeit.
Genauere Unterfuchungen würden ihn gelehrt haben, dafs die .Fäden,■
welche die Siebplalte durchbohren und fich im Innern der Nafe verbreiten,
nicht blos von den Markftreifen der Riechfortfätze, fondern auch von der
Subftanz der letztem gebildet werden. Eine richtige Idee lag indefs feiner
Hypothefe und den Meinungen früherer Anatomen zum Grunde; fie glaubten,
dafs die Verfchiedenheit der Geruchswerkzeuge des Menfehen und der
Thiere fich nicht blos aus der verfchiedenen Schärfe des Geruchs beyder
erklären ließe. Der Menfch fleht in diefer Scharfe nicht fo weit den
Thieren nach, wie der Fall feyn würde, wenn faß; der dritte Theil des
ganzen Gehirns bey den Tbieren blos diefein Sinn dieDte. Es giebt wenig
Beyfpiele von Stärke des Gemchsfinns bey den Thieren, zu denen fich
nicht ähnliche bey Menfehen, die im Stande der Natur leben, auffinden
liefsen. Auch bey den Thieren felber fteht jene Stärke keinesweges «immer
mit der Gi-pfse der Riechfortfätze und der Ausdehnung der Fläche, worauf
fich diefe Organe verbreiten, in Yerhältnifs. Beyin Seekalb, einem fehr
fcliarf riechenden Thier, find die letztem nicht vorzüglich grofs und ver-
hältnifsmäfsig noch kleiner find hier die oliern und untern Mufchellieine;
hingegen hefilzt daflelbe fehr große, mit fehr vielfachen Windungen ver-
fehene und der Luft eine fehr weile Fläche darbietende, untere Mufclielbeine,
worauf fich indefs blos Zweige des fünften Nervenpaars vertheilen.' Die
Raubvögel wittern ihre Beule iu nicht weniger großen Entfernungen als
irgend ein Säugiluer, und doch find fowöhl die Geruchsnerven, als die
Theile der innern Nafe, auf welchen diefe ficli ausbreilen, hey ihnen weit
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