VII.
E T W A S
ÜBER
DIE SAAMEN DER KRYPTOGAMISCHEN
GEWÄCHSE.
Bekanntlich find L in n d ’ s kryptogamifche Gewächfe in der natürlichen
Methode von J u ffieu zufammeDgeftellt unter dem Namen der Acotyledonen,
welchem fall alle neuere Franzöfifche Schrififteller gefolgt find, mit Ausnahme
von L. C. R ich a rd , welchem die Benennung von J u f f ie u nieht
immer gehörig den Gegenfatz auszudrücken fcheint, worin diefe Gewächfe
zu den übrigen flehen, daher er fie Inembryonees genannt wißen will und
ihnen zum Charakter giebt: „Mangel des Embryo in den Körperchen, die
„ihnen anfiatt der Saamen dienen *). Da aber die Wahrheit diefer Sätze
blofs darauf beruhet, dafs man Saamenlappen und Embryo in dem höchft
feinen Saamenkorne nicht unlerfcheiden kann, felbige demnach eben fo
gut negativ find, als der von Linnd gegebene Character, welcher noch den
Vorzug hat, dafs er weit leichter aufzufinden ift, fo hat Richard in einer
fpateren Abhandlung b) fich einer eigenen Ideenfolge bedient, zu zeigen,
a) Analyse du fruit. 5ô.
b) Analyse bot. des embryons endorhizesî, Ann. du Mus. XVII. 443*
VII. Ueber die Saamen u. s. w< 211
dafs die He dwi g f c h e n Sporulen keinen Embryo enthalten, folglich keine
Saamen feyn können. Das Ey, fagt er, die Grundlage jedes Saamens, ift ein
Körper,; : welcher in einer ihm ausfchliefsend angehörenden Haut einge-
fchlolfen ift, und mit dem Fruchthalter nur durch den Nabelftrang commu-
nicirt, bey völliger Reife aber allezeit den Anfang eines neuen Pflänzchens
enthält j die Grundlage einer Sporula hingegen ifi. urfprünlich eine der
Zellen des Fruchthalters, wovon fie einen inlegrirendcn Theil ausmachte:
diefe erweitert fich Uur und giebt lieh los, wodurch fie eine Oberhaut
erhält, ohne ihre- zcllige Natur zu verändern.
Gegen diefes Raifonnement läfst fich zweyerley einwenden. Vorerft
ift es keinesweges gegründet, dafs die Sporulen in ihrem erfien Urfprunge,
in Form von Zellen, integrirende Theile des Fruchthalters ausmachen. Man
braucht nur Hedwigs Abbildungen des früheften Zuftandes der Moos-
kapfcl a) und die Natur zu vergleichen, um fich zu überzeugen, dafs bereits
in dlefem Zuftande die Anlage der Saamen felbftftändig und unabhängig
vom Zellgewebe der Kapfel vorhanden fey. Noch deutlicher ift diefes bey
den Farrenkräutern. Wären aber auch diefe Bläschen anfänglich von gleichem
äufseren Anfehen wie die übrigen Zellen der Frucht, fo ift doch ihre Entwicklung
ganz denen von Saamen gemäfs. Im Anfänge durchfichtig und
mit einem Waffer, wie es fcheint, gefüllt, bekommen fie fpäterhin einen
körnigen Gehalt, werden endlich braun und minder durchfichtig, und verfallen
in diefem Zuftande die geöffnete Fruchtkajifel. Säet man fie alsdann
aus, fo geben fie, keimend, Pfläuzchen der nehmlichen Art und find infofern
mit allem Rechte als Saamen zu betrachten.
*) Fundam. liill. nat. musc, froudosor. II. T. 2. 3*
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