;,Auge, das Auge von dem Impfling: allein da jedes von beyden ein Leben
„für lieh hat, fo kann die Durchdringung der Form nur partiell feyn.
,In der Saamenanlage hingegen find Wurzel und Auge noch nicht durch
„die Vegetation in Gegenfatz gekommen: wird ihm daher der fpecififehe
„Saft einer andern Art eingeimpft, fo entliehet eine völlige Mittelbildung.'
„Doch gefchiehet diefes mit einiger Schwierigkeit, und felhft der Grad
„diefer Schwierigkeit iXt verfchieden nach Verfchiedenheit der Umfiände.
„So wenig heym gewöhlichen Impfen es gleichgültig ift, ob das Unedlere
„dabey der Impfling oder das Auge fey, fo auch bey der Impfung mit
,Pollen. Ul nehmlich das Individuum, von welchem derfelbe genommen
,wird, das edlere, fo bleibt die Fruchtbarkeit im Saamen ficherer. Diefes
„ift einem allgemeinen Gefetze der Natur gemäfs und daher auch in
,K ö lreu te r s Verfuchen unverkennbar.“ — Hier ift nun zuvörderft der
angebliche Erfahrungsfatz, dafs Impfling und Auge lieh gegenfeitig von
ihrem Eigenlhümlichen etwas mittheilen, in Zweifel zu ziehen: wenigltens
wäre zu wünfehen gewefen, dafs man uns die darauf abzweckenden gegen-
theiligen Beobachtungen näher mitgetheilt hätte. Andere Erfahrungen
lehren vielmehr, dafs der Wuchs des Wildlings zwar auf den gepfropften
Stamm übergehe,natürlich, weil jenem die Wurzeln angehören, derenForm und
Ausbreitung die der Zweige beftimmt: dafs aber dennoch jeder von beyden
fein Eigenthümliches, was Blätter, Blüthe und Frucht betrifft, vollkommen
beybehalte. Und wie füllte es. auch anders, da die Nahrung, welche das
Auge oder Pfropfreis aus den Gefäfsen des Wildlings beziehet, eine blofse
rohe Nahrung ift, andrerfeits aber auch der Impfling feine eigene Binde
hat, in denen er die von den Blättern und der Rinde des Pfropfreifes
zubereitete Nahrung auf feine Weife affimilirt? Pfropfet man daher z. B.
ein edles Birnenreis auf einen Quittenftamm, fo wird der Baum freylich
zwergartig bleiben; allein fo weit das Reis lieh entwickelt, werden Blätter,
Inflorefcenz, Blüthe und Frucht immer des Baumes feyn,'wovon es genommen
worden, ohne von der Natur der Quitten etwas anzunehmen. Treibt hingegen
der Stamm aus der Wurzel oder unter der Pfropfftelle nach vielen
Jahren, wo doch die Mittelbildung längft eingetreten feyn müfste, wiederum
Schöfslinge hervor, fo werden diefe immer nur das Charakteriftifche der
Quitte an lieh tragen und nie eine Mittelbildung zwifchen diefer und der
Birne feyn.
Eben fo wenig begründet erfcheint jene Meynung, wenn wir fie aus
einem allgemeineren Gefichtspunkte betrachten. Es ift freylich nicht in
Abrede zu Hellen, dafs die Impfung und Zeugung (wenn es eine folche im
Pflanzenreiche giebt) in der Hauptfache Übereinkommen: denn fo wie der
Impfling durch die lieh entwickelnden Blätter des Auges oder aufgefetzten
Zweiges ernährt wird, fö auch erhält das unbefruchtete Ey im Blumen-
Haube feine erfte Nahrung, welche ihm, wenigßens im gewöhnlichen Falle
nichts anderes erfetzen kann. Allein eben daraus, dafs die Impfuug etwas
Partielles, ein blofses fortgefetztes Leben ift, die Befruchtung aber, indem
fie einen ganz neuen Lebensakt veranlaffet, die Formbildung von Grund
aus betrifft, erhellet, dafs beyde, als ganz verfchiedene Dinge, nicht zu-
fammen geworfen werden können. Denn man kann fragen: ift die Baftard-
Befruchtung eine blofse Einimpfung der einen Art auf die andere, wovon
nach des Gegners Meynung eine partielle Durchdringung der Form die
Folge ift, warum befchränket lieh diefe Einwirkung auf das Ey und theilt
fich nicht der ganzen Pflanze mit, welche befruchtet worden, da das
Leben derfelben keinesweges aufgehoben, fondern nur fufpendirt ift?
Entgegnet man; der Blumenftaub wirke auf die letztere oder auf einzelne
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