meine Gedanken über Anfang, Fortgang und Ende des Einzellebens in der
Pflanzenwelt, fo wie über deften Zufammenbang mit der Erzeugung durch
zwey Gefchlechter mitzutheilen, ohne, wenigliens von diefer Seite, den
Vorwurf eines groben Materialismus befürchten zu dürfen. Denn wo man
von entgegengefetzten Grundfälzen ausgeht, wäre es unnütz, einander zu
beftreiten.
Diefen geheimnifsvollen Vorgang indeflTen ganz begreiflich machen zu
wollen, fcheint bey der Vielheit desfalfiger Verfuche, die auf ganz ent*
gegengefetzten Wegen lieh der Wahrheit am meiften zu nähern glauben,
die Kräfte unferes Verftandes zu überfteigen. Sollte es daher gelingen,
das Zeugungsgefchäft auf eine bekanntere Thatfache in der Oecononjie der
Gewächfe zurückzuführen, fo ift, glaube ich, allen Foderungen, die man
hier billigerweife machen kann, Genüge gefchehen.
Auch hier, wie für das Thierreich, haben die Phyfiologen fich in
zwey Anfichten getheilt, von denen die eine den Embryo fchon vorgebildet
feyn und durch die Zeugung nur entwickelt werden läfst, die andere aber
in feinem Sichtbarwerden eine Bildung von Grund aus, durch ein fucceffives
Hervorbringen der Theile, anerkennt. Beyde Anfichten find unter den
Namen der Evolutionstheorie und des Syltems der Epigenefe bekannt
geworden und haben einander bis auf unfere Zeiten herab, wo die letztere
Meynung die Oberhand gewonnen hat, Beitritten.
Das Evolutionsfyliem läfst wiederum eine Zwiefachheit der Meynungen
zu. Entweder wird behauptet, dafs der männliche Saame, alfo hier der
Blumenfiaub, den vorgebildeten Keim enthalte, welcher in die Eyhöhle
eindringend, hier feine Ausbildung erlange; oder man will, dafs das zu
erzeuzengqnde Wefen bereits mit der Anlage aller Theile, wiewohl unentwickelt
im Eyerftock vorhanden fey und durch den belebenden Hauch des
männlichen Saamens nur veranlalfet werde lieh zu entwickeln. Die erfie
.Meynung ift fall fo alt, als die Entdeckung des.Pflauzengefchleçhts überhaupt.
M or lan d a) , der jüngere G e o ffro y î>), H ill c), und i andere. waren
derfelbeu zugethan, und die beyden Erftgenannten glaubten, dafs die kleine
Oeffnung, welche man in der fchüaligen Haut des Saamenkorns gewahr
wird, die Stelle anzeige, wo das in jeden Pollenkügelchen enthaltene, durch
den Centialgang des Griffels hinabgeftiegene Pflänzchen- in die Eyhöhle
eintrete. Diefer Meynung wird von ; S p a llan z an i d) eine Reihe von
Verfuchen entgegengeftellt, in Folge deren eine Fruchtentwicklung im
Eyerftocke Platz hatte, ohne dafs der männliche Saamenftaub Zutritt gehabt;
Weniger Gewicht legt er auf den Umftand, dafs man keine Spur eines
Pflänzchens im Eollen , keine offene Gänge im Griffel für das Hinabfteigen
deflelben gewahr werde e). Es ward daher von S p a lla n z a n i die andere
Modifikation der Evolutionstheorie, zufolge deren der Keim im Pflanzeney
präexftirt, geltend gemacht., ! nachdem bereits V a i l la n t f) und L e s k e g)
diefe Meynung vorgetragen ; hatten, wiewohl jeder mit eigenthümlichen
Modifikationen.
Es ift nicht zu läugnen, dafs eine gewüfe Herabfetzung der blofsen
Naturkräfte,' verbunden mit einem, beym Gebrauch des Mikrofkops fishr
erklärlichen Mistrauen in das blefse Zeügnifs unferer Sinne, einen Bauplan
Philos. Transact. 3703. N .'287. — b) Mémoires de Paris pour fan. 1711;
c) Entwurf eines Lehrgebäudes von Erzeug, der Pflanzen. ftürnb. 1761* Kap. 9.
d) Expériences etc. sur la gänär, de div. plantes. §. 20. et s.
e) A. a, O. §. 1 ä* 37. .46. ”' — f) Sermo :de Structura dorum. Lugd. Batav« 1718.
g) D.e general, plantarum» Lips. 1-7/3. 3 i.