
natürlich vergebens, dass sie die Holländer wiederschaffen sollten;
er machte zugleich Anstalten, um Gewalt zu brauchen, erfuhr aber
zu seinem Schrecken, dass auf den Kaiserwachen am Eingänge des
Hafens, die jederzeit von tausend Soldaten des Eürsten von F id s e n
besetzt sein sollten, kaum sechszig Mann zu finden, und dass auch
die Anführer abwesend seien. — Gegen Abend desselben Tages
wurde ein Zettel gebracht, welchen die fremden Matrosen auf einer
Klippe niedergelegt hatten; er kam von einem der Geraubten: das
Schiff sei ein englisches aus Bengalen und verlange Wasser und
Lebensmittel. Die Verzweiflung der gekränkten japanischen Beamten
stieg auf das Höchste; der Secretär des Statthalters wollte durch-
aus an Bord gehen, um den Capitän — und dann natürlich auch
sich selbst zu erdolchen, und der Handelsvorsteher Doeff musste
alle seine Ueberredungskunst aufbieten, um ihn von diesem Vorhaben
abzubringen. Am folgenden Tage hissten die Engländer ihre
Flagge. — Der Statthalter hatte Aufgebote nach allen Richtungen
in die benachbarten Gebiete ergehen lassen, und dachte den Feind
so lange hinzuhalten, bis er die zum Angriff nothwendigen Truppen
und Boote beisammen hätte. — Nachmittags erschien einer der
Geraubten, den die Engländer auf einer Klippe im Hafen ausgesetzt
hatten, mit einem von Capitän Fleetwood Pellew, Fregatte
Phaeton, Unterzeichneten kurzen Schreiben, »er werde die im
Hafen hegenden japanischen und chinesischen Dschunken in Brand
stecken, wenn der Entlassene nicht vor Abend mit den verlangten
Vorräthen zurück sei. Die beiden Gefangenen waren, nach der
Aussage des Zurückkehrenden, von dem englischen Befehlshaber,
einem unreif aussehenden jungen Mann, mit Rohheit behandelt, und
unter Androhung des Aufknüpfens befragt worden, wo die holländischen
Schiffe lägen; der Capitän hatte Abends auch selbst eine vergebliche
Rundfahrt im Hafen gemacht, um solche zu suchen. Der
Befreite brachte noch die mündliche Drohung, dass sein Genosse
ohne Gnade gehenkt werden solle, wenn er selbst nicht mit den
Lebensmitteln zurückkehrte. Obgleich von seiner Regierung ermächtigt,
alle nothleidenden Schiffe unentgeltlich mit Wasser und Vorräthen
zu versehen, entschloss sich der beleidigte Statthalter nur
schwer, den dringenden Bitten des Handelsvorstehers nachzugeben,
und sandte gegen Abend eine geringe Quantität Lebensmittel an
Bord; bald darauf wurde auch der andere Gerauhte entlassen. Die
Nacht verging unter kriegerischen Anstalten. Zunächst sollte der
schmale und seichte Eingang des Hafens durch einige Kahnladungen
Steine verschüttet, dann die Fregatte von 300 kleinen Fahrzeugen
angegriffen und in Brand gesteckt werden. Aber in der Frühe, ehe
die Japaner mit ihren Vorbereitungen fertig waren, setzte der Phaeton
Segel, und lief mit frischem Winde zum Hafen hinaus. Eine halbe
Stunde darauf hatten sich der Statthalter von N a n g a s a k i und die
vier Befehlshaber dej' Kaiserwachen den Leib aufgeschlitzt163).
Der Fürst von F id s e n , der grade in Y e d d o , aber für die militärische
Besatzung verantwortlich war, wurde mit hundert Tagen Haus-
gefängniss bestraft.
Da im folgenden Jahre von den beiden holländischen nach
N a n g a s a k i bestimmten Schiffen das eine, welches den ablösenden
Handelsvorsteher an Bord hatte, auf der Reise unterging, so musste
Doeff, dessen Zeit eigentlich um war, im Amte bleiben,64). Er verabredete
mit dem neuen Statthalter wegen der unangenehmen Vorfälle
mit dem Phaeton eine geheime Signalflagge, an welcher die zunächst
eintreffenden holländischen Schiffe kenntlich sein sollten. Das
Schreiben, in welchem dieses Signal der Regierung von Batavia
mitgetheilt wurde, sollte der Capitän des zurückkehrenden Schiffes,
falls die Engländer ihn angriffen, sogleich vernichten. — Für Doeff
und seine Gefährten brach jetzt eine schwere Zeit an; sie blieben,
da Java in die Hände der Engländer übergegangen war, in den
Jahren 1810, 1811 und 1812 ohne alle Nachricht aus Europa. Seit
ihrer Ankunft im sechszehnten Jahrhundert waren die Bewohner von
D e s im a niemals zwei Jahre hinter einander ohne Sendungen geblieben.
Man denke sich eine Gesellschaft von sieben Europäern auf einem
163) Dieses ist ein Beispiel von den japanischen Begriffen von Verantwortlichkeit.
Der Statthalter. sowohl als die Befehlshaber hatten wegen der der japanischen Regierung
angethanen ungerächten Schmach das Leben verwirkt, und zogen den
Selbstmord der Schande der Hinrichtung vor, welche ihre Familie mitbetroffen hätte.
Der kleine Sohn des Statthalters blieb in Y eddo in hohen Ehren, denn jetzt war
alle Schuld gesühnt. Der Fürst von F idsen, dessen Untergebene durch" ihre Nachlässigkeit
den Tod des Statthalters mit veranlasst hatten, bat um die Erlaubniss,
dem Sohne 2000 Kobang verehren zu dürfen. Der Siogun gestattete ihm nicht nur
diese einmalige, sondern die jährliche Wiederholung der Gabe, eine Erlaubniss, die
einem Befehle gleichkam.
164) Bis gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts durfte kein Handelsvorsteher
länger als ein Jahr hintereinander auf Desima bleiben. Von der Zeit an wurde ihre
Amtsdauer mit Genehmiguug der japanischen Regierung auf fünf Jahre festgesetzt.
Die späteren Handelsvorsteher blieben gewöhnlich zwei bis drei Jahre in N angasaki.
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