
Das seichte Wasser gewährt an sich der Hauptstadt grosse
Sicherheit gegen einen Angriff zur See; zum Üeberfluss hat aber
die Regierung noch fünf mächtige Forts hineingebaut', die, an der
Südspitze der Stadt etwa zwei Seemeilen vom Lande beginnend, in
ihrer Front eine gekrümmte Linie nach Osten bilden. Sie sind auf
eingerammtem Pfahlrost massiv aus Quadern erbaut, oben mit grünen
Wällen versehen von denen schweres Geschütz herabschaut, jedem
Bootsangriff Trotz bietend, aber gegen die gezogenen Schiffscanonen
unserer Zeit auf die Länge ' unhaltbar. Sie beherrschen nur etwfi,
den dritten Theil der Breite, die westliche Seite der Bucht, und
könnten östlich leicht umgangen werden; aber hier säumt eine
lange Reihe von Strandbatterieen das Ufer, welche den Geschützen
auf der Rhede ankernder Kriegsschiffe, unerreichbar sind und geschickt
bedient wohl den heftigsten Bootsangriff abweisen könnten.
Die Forts müssten genommen werden um Y e d d o von dieser Seite
anzugreifen, und würden, gut vertheidigt, dem Feinde blutige
Arbeit kosten.
Bei Annäherung von der Rhede ahnt man die grosse Stadt
nicht; die Häuserreihen am Ufer sind unbedeutend und von Gärten
und Rasenterrassen vielfach unterbrochen, die wenigen Höhen grün
bewachsen und mit zerstreuten Gebäuden besät, der Eindruck ist
vielmehr ländlich. Die Bewohner von Y e d d o selbst haben wenig Verkehr
mit der Rhede, ihre Dschunken laufen in den Ö - g a v a ein. Für die
Fremden 0 die Bewohner der Legationen und die Marine-Oßiciere —
hat man einen Landungsplatz besonders gebaut, mit massiven Bollwerken
und Treppen und einem geräumigen Hof, wö sie ihre Habseligkeiten
ausladen und in Ruhe die Pferde und Sänften besteigen können,
Alles sehr zweckmässig und bequem. Hier harren ihrer in einem
Wachthause beständig Dolmetscher und Y a k u n in 6 , welche sie an
die Gesandtschaften abzuliefem haben; auch Boote nach den Schiffen
liegen zu mässigen Preisen bereit, ÄL Von diesem Hofe öffnet sich
ein breiter schwarzer Thorweg auf die grosse Heerstrasse, den
T o k a id o , der hier das Meeresufer berührt und nach links eine
Strecke hart am Strande, dann weiter durch die Vorstädte S is a g a v a
und O m a g a v a läuft. Dem Thorweg grade gegenüber hegt die Strasse
welche nach A k a b a n e führt; nach rechts wendet sich der T o k a id o
nördlich in das gewerbliche Viertel dem Mittelpuncte der Stadt zu,
eine grade, breite Strasse von unabsehbarer Länge. Alle achthundert
Schritt weit stehen Thorwege, welche bei Unruhen und
Feuersbrünsten, und in aufgeregten Zeiten jede Nacht geschlossen
werden, eine Einrichtung die durch ganz Japan in allen Strassen
und Gassen bestehen soll. An jeden .Thorweg lehnt sich ein
Wachthaus — das Bureau der Strassenpolizei, wo die K a s ir a ’s
die Wache beziehen, — und aus seinem Dache ragt ein hohes Leitergerüst,
von wo besonders bei Nacht nach Feuersbrünsten gespäht
und das Lärmzeichen mit der Glocke gegeben wird. Die Anzahl
und Anordnung der Schläge zeigt .den Bewohnern gleich die Entfernung
und Grösse des Brandes an.
Viele Häuser dieses Stadttheiles, wo die wohlhabendsten Kaufleute
wohnen, sind feuerfest. Sie haben dicke um Bambuspfosten
gefügte Lehmwände und einen Ueberzug von feinem Stuck. Ihre
Farbe ist gewöhnlich schwarz, zuweilen auch weiss, der Stuck von
so glänzender Oberfläche, alle Ecken und Kanten so scharf und
winkelig dass man polirten Marmor zu sehen glaubt. Die dicken
Fensterläden haben einen Ueberzug von derselben feuerfesten Masse
■und schliessen hermetisch, das Dach besteht aus dichtgefugten
schweren Ziegeln. Diese Häuser sind theils das Privateigenthum
Einzelner, theils das gemeinsame einer ganzen Reihe von Haus-
wirthen, die bei den rasch um sich greifenden Feuersbrünsten meist
nur Zeit haben ihre besten Habseligkeiten dahin zu flüchten; die
Häuser werden dann verschlossen, von aussen noch mit nassen
Strohmatten gesichert und ihrem Schicksal überlassen, eine Art
riesiger Geldschränke, die vortreffliche Dienste leisten und trotz
der furchtbaren Gluth der japanischen Brände — wo Alles nur
Holz und Papier ist — ihren Inhalt unversehrt bewahren sollen.*—
Die Häuser dieses Stadtviertels stehen zwar regelmässig in einer Reihe,
aber bald mit dem Giebel, bald mit der Seitenfront nach der Strasse
gewendet; sie sind bald höher, bald niedriger, nach unseren Begriffen
aber durchgängig klein, und immer nur für e in e Familie eingerichtet.
Die meisten haben Ziegeldächer, manche von den einstöckigen
Häusern auch Schindeldächer. Erstere sind von sehr künstlicher
Bauart, die Ziegel sorgfältig 'geformt und gebrannt, dunkelgrau,
und’ mit gleichfarbigem Mörtel zu einer festen Masse verkittet. Ein
hoher schwerer Balken bildet die Dachfirst und läuft in reich verzierte
breite,.Stirnziegel aus , von denen sich zwei dicke Wülste über
die Dachfläche hinablegen. Die Ziegel sind von mannichfacher
Form und Grösse, man könnte den ganzen Dachstuhl einen Bau aus
Formsteinen nennen; diejenigen, welche die eigentliche Dachfläche