
immer grüner; aus den üppigen Laubmassen selien Tempel und
ländliche Wohnungen hervor, man kommt an den Grundstücken
mehrerer D a im io ’s vorbei, wo hinter den schwarzen Bretterzäunen
die Soldaten auf schattigen Rasenplätzen exercieren und nach der
Scheibe schiessen. Pfahlbrücken von gewölbtem Bau führen über
das immer kleiner werdende Flüsschen; über eine derselben gewinnt
man das jenseitige Ufer und tritt~in einen von Bambus und dichtem
Grün beschatteten Hohlweg. Es geht bergan, die enge Strasse
bietet kaum Platz zum Ausweichen. Auf der Höhe liegen rechts
und links im Grünen ländliche Tlieehäuser, deren halb verwilderte
Anlagen sich nach dem jenseitigen Thalgrunde senken. Ein hoher
rasenbedeckter Erdkegel — künstlich aufgeschüttet^^ den die
Japaner den kleinen F ü s iy a m a nennen, gewährt eine weite Aussicht
nach Süden und Westen. Unten liegt ein ebenes, mit Reis bebautes
Thal, durch das sich breite Wege schlängeln; jenseit steigt der
Boden alhnälich an. Heimische Strohdächer winken drüben aus
frühlingsgrünem Bambusgefieder, aber der -rothglühende Ahorn mahnt
an den Herbst. Ein glitzender Bach rieselt durch das dichte Gebüsch,
aus welchem hohe Gruppen dunkeier Cryptomerien und
Tannen emporstreben. — Weiter erheben sich niedrige Hügelreihen
mit Busch und Feld und herrlichen Waldprofilen, dahinter die
F a k o n e -Berge und der grosse F u s iy a m a .
Der Weg führt abschüssig in das Thal hinab; drüben gelangt
man wieder in enge Hohlwege, aus denen der Blick sich ab und
zu auf die lieblichsten Gründe öffnet: ’ überall liegen Bauernhäuser
im Grünen zerstreut, und' an hervorragenden Puncten ländliche
Tempel und Friedhöfe; bemooste Grabsteine-■ schimmern durch den
tiefen duftigen Schatten des Gehölzes, wo Epheu und Immergrün
den Boden decken. Hier und da steht ein Heiligenbild am Wege,
der segnende Budda auf der Lotosblume, alterthümliche Bildsäulen
aus Stein oder Bronze. Bei den grösseren Dörfern findet man
imposante Tempelanlagen und Friedhöfe mit ehrwürdigen Riesenbäumen.
Aehnlich ist der Charakter der Landschaft im Nordwesten
und Norden der Stadt, wellenförmiges wasserreiches flügelland mit
Busch und Feld in unerschöpflicher Abwechselung, reich bevölkert
und angebaut. - (
Die Höhenzüge, welche im südlichen Theile von Y e d d o
dasg Meer berühren und hier nur einen schmalen Streifen flachen
Uferlandes frei lassen, treten allmälich von der Küste zurück;
von ihren Abhängen geniesst man der köstlichsten Aussicht auf die
reiche Ebene und den begrenzenden Golf. — Vom Landungsplätze
der Fremden aus führt der T o k a id o südlich eine Strecke am Meere
entlang11); links liegt eine Reihe von Theebuden, wo Reisende sich
vor dem Eintritt in die Hauptstadt zu erfrischen pflegen, rechts die
Fagaden einiger Y a m a sk e ’s w - darunter ein Palast des Fürsten
von S a t s u m a , und das Portal zum Tempel von T o d z e n d z i , dem
Sitze der englischen Gesandtschaft. Eine dicht bevölkerte Vorstadt
bedeckt den dahinter liegenden Höhenzug, dessen südlichen Ausläufer
der G o t e n y a m a bildet, wo die Regierung des T a ik ü n im
Jahre 1861 ein Terrain zum gemeinschaftlichen Bau der fremden
Gesandtschaften angewiesen hatte. Die Nachbarschaft bewies sich
dieser Abtretung feindlich; die Regierung ersuchte später die Fremden,
dort nicht zu bauen, und wusste nicht zu verhindern, dass das
schon halb fertige Gebäude der englischen Legation unterminirt und
in die Luft gesprengt wurde.feslfIvDer G o t e n y a m a tritt dicht an den
T o k a id o heran, so dass zu beiden Seiten der Strasse nur Raum für
eine Häuserreihe bleibt; dies ist die übelberufene Vorstadt S in a q a v a ,
der Tummelplatz der ausschweifenden Jugend aus den höheren
Ständen und das Rendezvous aller gefährlichen Subjecte der Hauptstadt.
Alle Häuser sind hier zweistöckig, ihr Aeusseres wohlhabend
und reinlich; man sieht in tiefe helle Corridore hinein, auf die sich ganze
Reihen von Gemächern zu öffnen scheinen. Bei Tage ist Alles ruhi»,
aber Abends tönt Gesang und Saitenspiel vermischt mit dem wüsten
Lärm Wilder Gelage und Orgien aus den Häusern. Auch die Grossen
von Y e d d o sollen hier ihre Absteigequartiere haben, und begeben
sich Abends » N a ib ü n « mit kleinem Gefolge dahin. Zwischen ihren
Trabanten veranlassen Eifersucht, Weinrausch und Spiel oft blutige
Händel, und der friedliebende Bewohner thut w o h l,; diese Stadtviertel
bei Abend zu meiden.. Es kam besonders in d ie s e r Gegend
oft vor, dass sich S a m r a i ’s , Trabanten der D a im io ’s , den Fremden
mit Schmähungen und drohenden Gebehrden, die Hand am Schwerte
in den Weg stellten; nicht nur S in a g a v a selbst, sondern die ganze
Umgebung, die wir beim Spazierenreiten häufig zu passiren pflegten,
war unsicher. Ga-pitän Jachmann wurde am hellen Tage insultirt.
Er ritt mit Lieutenant Berger und Assessor Sachse, beide von der
Thetis, vom Landungsplätze der Fremden den T o k a id o entlang nach
u ) Blatt 2 der »Ansichten aus Japan, China und Siam« zeigt diesen Theil des
T o k a IDO.