
laliren zu wollen, legte aber kurz vor deren Buge plötzlich um und
segelte an der Steuerbordseite in etwa fünfzig Schritt Entfernung
vorbei. Schon von weitem sah man mehrere Chinesen auf dem
Vordercastell bunte Fahnen schwenken; das ganze Verdeck war
voll Menschen, die auf den ICnieen liegend flehende Gebehrden
machten und wie es schien nach den kleineren Dschunken zeigten,
dabei ganz jämmerlich heulten und schrieen. Wir konnten natürlich
nichts verstehen, und Niemand wusste was daraus zu machen
wäre. Die Dschunke legte, als sie vorüber war, hinter dem Heck
der Fregatte einen Augenblick bei, spannte dann aber plötzlich
alle Segel und hielt auf die Küste von Formosa zu. — Wir
setzten unseren Cours fort. Mit den kleineren Dschunken hatten
sich noch vier andere von ganz gleicher Bauart vereinigt, die wir
vorher zu Steuerbord gehabt hatten; diese zwölf stellten sich
ausser Schussweite in einer langen Linie auf und schienen uns zu
beobachten. Als wir vorüber waren, liess Capitän Jachmann ab-
schlagen.
Der ganze Vorgang blieb räthselhaft. Entweder war- die
grössere Dschunke wirklich von den kleineren angegriffen worden
und suchte Schutz, oder es waren lauter Piraten, und jenes Scheingefecht
in der Frühe sollte uns aus unserem Course locken. Letzteres
ist wahrscheinlicher, denn wir konnten auf der dicht vorbeisegelnden
Dschunke keine Spur von Zerstörung entdecken und sie selbst sah
höchst verdächtig aus, ein alter verwetterter Kasten mit geflickten
Segeln und zerfressenen Borden, auf allen Seiten mit Netzen dicht
behängt die man wohl für Entemetze ansehen konnte, — denn
eine Fischerdschunke war es nicht, dafür zeugte die starke Bemannung,
wie sie nur Piraten zu führen pflegen. Geschütze konnten
wir nicht bemerken; sie waren wohl maskirt, sind auch beim Entern,
der gewöhnlichen Kampfesart der chinesischen Seeräuber, von geringem
Nutzen. Wahrscheinlich wurde die Thetis von weitem für
ein Handelsschiff und somit für gute Beute gehalten, flenn Kriegsschiffe
ohne Dampfkraft sind längst ein ungewohnter Anblick selbst
in jenen Meeren. Die grosse Dschunke wollte sich wohl langseit
legen und entern — darauf deutete ihr Segelmanöver; unserer
Geschütze aber wurden die Chinesen, die grade auf uns losfuhren,
erst in grösster Nähe ansichtig, daher ihre flehenden Gebehrden,
als sie sich vorübersegelnd im Bereiche einer so grimmigen 11 eihe
von Feuerschlünden, und durch die offenen Luken die Mannschaft
zum Feuern bereit sahen. — Die anderen Dschunken gingen aus dem
Wege, als sie ihre Täuschung bemerkten.
Die Aufregung im Schiffe hatte sich kaum gelegt un wir
segelten bei leichter Brise im Angesicht des chinesischen Festlandes
hin, als Nachmittags um zwei eine englische Brig bemerkt wurde,
welche ihren Cours ändernd auf die Thetis loshielt, und durc
Signale anfragte, ob man ihr etwas Pulver geben könne. Capitan
Jachmann antwortete bejahend und liess die Fregatte beidrehen;
binnen einer Stunde lag die Brig neben ihr, und der Steuermann
kam an Bord. Er war am Morgen desselben Tages von vier
Piratendschunken angegriffen worden, welche sich noch m Sicht
befanden; zwei segelten ganz in der Nähe. Sie hatten ein Boo
nach der Brig gesandt mit dem Vorgeben, Reis verkaufen zu wollen;
einige Säcke werden an Bord gebracht, aber beim Oeffnen findet
sich Sand darin. Unterdessen zünden die Chinesen Stinkkugeln an
und dringen auf die Mannschaft ein, werden aber geworfen und
verlieren mehrere Leute. Die Engländer hatten dabei ihr weniges
Pulver verschossen und waren in grösser Verlegenheit, da die
Strasse von Corsaren wimmelte. Capitän Jachmann gab ihnen ein
Fässchen und liess, indem sie von Bord gingen, Generalmarsch
schlagen. Die Brig nahm südlichen Cours; die Thetis aber wandte
ihren Bug gegen die beiden nächsten Piraten und suchte ihnen aufzulaufen.
Der Wind stand aus Osten. Die Dschunken lagen in
Lee südwestlich auf die Küste von China los; ihre Verdecke wimmelten
von Menschen, bis die erste Kugel über ihre Köpfe sauste.
Von dem Augenblick an war keine Seele mehr an Bord zu sehen,
selbst die Steuerleute müssen versteckt gesessen haben. Leider
war die Entfernung zu gross und der Zielpunct zu klein um sicher
schiessen zu können, - die Kugeln schlugen meistens dicht davor
oder dahinter in das Meer, nur eine, die Lieutenant Butterlin richtete,
fuhr durch das Hauptsegel der einen Dschunke, ohne sie sonst
zu beschädigen. ■ _
Die Fortsetzung dieser Jagd hätte die Thetis allzuweit aus
ihrem Course gebracht, mid da wir bei der schwachen Brise wenig
Raum gewannen, so beschloss der Commandant, diese Beute aufzugeben
und den beiden grösseren Piratendschunken nachzusetzen,
die freilich entfernter, aber nördlich in der Richtung unseres Courses
segelten. Der Wind war in dem Augenblicke günstig und schien
frischer werden zu wollen, doch lief die Fregatte den Dschunken,