
Dorfe zurück, das Läden mit allerlei Tand und Spielereien enthält,
wie man sie hei heiterer Laune für Frauen und Kinder gern
zu kaufen pflegt, — stiegen bald darauf zu Pferde und wandten
uns östlich nach der Ebene des O - g a v a . Die schmalen Wege
durch die Reisfelder waren durchweicht und schlüpferig; einige
ungeübte Reiter maassen, vom Frühstück begeistert, die Länge
ihrer Klepper im Schmutz, kamen aber ohne Schaden davon. —
Wir überschritten den 0 - g a v a auf einer Pfahlbrücke, und erreichten
dann, sein linkes Ufer auf breitem Feldwege stromabwärts verfolgend,
nach fast zweistündigem Ritt die nördlichen Vorstädte des H o n d z o .
Man passirt hier abermals den Strom auf einer Brücke welche das
H o n d z o mit dem Stadtviertel A sa k sa verbindet, wo wir gegen drei Uhr
vor dem grossen K u a n n o n - Tempel von den Pferden stiegen.
Diese ist eine der grössten Tempelanlagen von Y e d d o und
zugleich ein berühmter Wallfahrtsort. Von der Strasse führt die
breite Steinbahn durch ein mächtiges T o o r i grade auf das Hauptportal
zu, ein grosses zweistöckiges Gebäude mit geschweiftem
weit auskragendem Dachstuhl. Zu beiden Seiten des Durchganges \ . . o o
sitzen in vergitterten Hallen die colossalen Geniengestalten des
Feuers und des Wassers — als Symbole der Reinigung, — fratzenhaft
verzerrte phantastische Schreckbilder, feuerroth gefärbt. Mit
feinem dunkelrothem Lack ist auch alles Holzwerk dieses Gebäudes
und des Haupttempels überzogen, bis zu welchem die Steinbahn
sich in grader Richtung fortsetzt. An beiden Seiten derselben stehen
auf der ganzen Strecke vom Eingangs- T o o r i bis zum Tempel zusammenhängende
Reihen von Thee- und Jahrmarktsbuden, wo dem
Pilger tausenderlei Waaren zu Kauf geboten werden, theils Hausrath
und Bedürfnisse des täglichen Lebens, theils Spielzeug und
Luxusartikel, denn es ist in Japan Sitte, seinen Freunden von der
Reise etwas mitzubringen. Hier drängte sich eine dichte Volksmenge,
die grossen Theils dem Inneren des Landes anzugehören
schien und die nie gesehenen Fremden neugierig begaffte. Auch
der Tempel, seine Zugänge und Treppen waren dicht mit Menschen
besetzt, man schob sich mühsam durch das Gedränge.
| Der Tempel selbst ist ein mächtiges Gebäude aus Holz mit
schwerem dunkelem Ziegeldach, die Bauart massig und gedrungen.
Der .Estrich mag zwölf Fuss über dem Boden liegen; eine breite
Treppenflucht führt zu dem dreifachen Eingänge hinan. Das Innere
bildet eine hohe, düstere, von roth lackirten Säulen getragene Halle,
welche ihr Licht nur durch die Haupt- und Nebenthüren erhält;
riesenhafte Papierlaternen, deren jede mehrere Menschen bergen
könnte, hangen von der Decke herab. Dem Haupteingang gegenüber
erhebt sich ein vergoldetes Gitter durch welches der Altar mit den
Götzenbildern sichtbar ist, — nur die Priester .scheinen zu diesem
Allerheiligsten Zutritt zu haben; — davor steht ein mächtiger
Gotteskasten, wohl dreissig Fuss lang und halb so breit, und kaum
eine Elle aus dem Fussboden hervorragend; die ganze obere Fläche
ist offen, und weitläuftig mit hochkantigen Sparren vergittert, so
dass Jeder auch vom Eingänge aus mit Sicherheit über die Köpfe
der Vornstehenden hineintreffen kann; denn das Gedränge ist im
Tempel oft so gross, dass nur Wenige bis an das Heiligthum gelangen.
Wir sahen Kupfermünzen aus allen Theilen des Gebäudes
in den Gotteskasten fliegen, der die Mitte des Tempelraumes einnimmt
und für die Priester gewiss dessen wesentlichster Theil ist. In
einigen Nebengemächern sind viele Gemälde und andere Votivsachen
aufgehängt, unter denen eine Reihe von Bildnissen der berühmtesten
Courtisanen von Y e d d o besonders auffallen muss; sie gelten als
Schutzheilige gefallener Schönheit. Ein anderes ziemlich hoch gehängtes
Gemälde war mit lauter kleinen weissen Puncten bedeckt, und es
stellte sich heraus dass dies Papierkugeln seien, gekaute Gebetformeln
welche die Andächtigen da hinaufgeblasen hatten. — An
den Säulen und "Wänden sitzen kahlgeschorene Bonzen mit feisten
ausdruckslosen Gesichtern, Heiligenbilder und Gebetbücher aller
Art verkaufend; sie treiben einen einträglichen Ablasshandel und
üben grossen Einfluss auf die niederen Classen, stehen aber bei
allen Gebildeten in tiefer Verachtung, denn der heutige japanische
Buddismus ist nur noch ein verworrenes Gewebe abergläubischer
Gebräuche und todter Formen, und die Bonzen thun ihr Möglichstes
um das Volk in Dunkel und Unwissenheit zu erhalten; die herrschenden
Stände aber sehen, so sehr sie für sich selbst nach Aufklärung
streben, die Verdummung des Volkes für nothwendig zur Erhaltung
der alten Staatsverfassung an. Der Buddismus gilt überdies als
die beste Schutz wehr gegen das Chris tenthum und wurde deshalb
im siebzehnten Jahrhundert zur Staatsreligion erhoben.
So viel wir herausbringen konnten, ist der Tempel von A sa k s a
der Mutter des Budda geweiht, sein voller Namen O - K u a n n o n -
S a m a , d. h. »der grosse Herr K u a n n o n «. Dieser Ausdruck aber
bedeutet nach dem Zeugniss gelehrter Sprachforscher »die Menschen