
Kaisers zu lälimen, liat aber bis jetzt die herrschende Linie der
M h jam o to nicht vom Throne verdrängen können.
Der Verlauf der Begebenheiten im Einzelnen ist, wie gesagt,
in Dunkel gehüllt. Constatirte Thatsachen sind nur: dass bald nach
dem ersten Erscheinen des amerikanischen Geschwaders (1853) der
regierende S io g u n starb, und dass sein kinderloser Nachfolger die
Unterzeichnung des Harris’schen Vertrages nur um wenige Tage überlebte;
dass damals ein unmündiger Spross des Hauses Kn auf den
Thron erhoben, der Fürst von Miro seiner Würde beraubt und auf
seine Güter verbannt wurde, und dass die Leitung des Staates dem
erblichen Regenten I k a m o - n o - k a m i anheimfiel, welcher im Frühjahr
1860 — einige Monate vor Ankunft des preussischen Geschwaders —
von den Bravo’s des Fürsten von Miro auf offener Strasse ermordet
wurde. Alle übrigen Nachrichten sind mehr oder minder unverbürgt.
Die in Japan verbreiteten Gerüchte mögen viel Wahres
enthalten*80), widersprechen einander aber in den Einzelheiten
*“ ) Um dem Leser einen Begriff sowohl von dem Charakter der Ereignisse, als
von der Unvereinbarkeit der in Japan selbst den FremdeR bekannt gewordenen Gerüchte
zu geben, mögen hier kurze Auszüge von zwei Darstellungen der Begebenheiten
seit Perry’s Ankunft stehen, die beide auf an Ort und Stelle gesammelten Nachrichten
basirem Die erste ist dem Buche des englischen Gesandten Sh Rutherford Alcock
»The Capital of the Tycoon« entnommen, welcher selbst sagt , dass er nur Gelaichte
■wieder erzählt; die zweite ist zuerst in der Revue des deux mondes abgedruckt
worden. Der Verfasser der letzteren hat seine Berichte später in einem besonderen
Bande zusammengefasst, welchen Lebendigkeit der Auffassung des G e s e h e n e n und
E r le b t e n , Treue der Schilderungen, Humanität der Anschauung, Wohlwollen und
Gewissenhaftigkeit zu einein der anziehendsten und nützlichsten Bücher über Japan
machen; in allem H is to r is c h e n dagegen ist er ohne Kritik verfahren, und berichtet,
auf die Zuverlässigkeitseiner Gewährsmänner bauend, neben vielem Phantastischen auch
Dinge, die nachweisbar unrichtig, und andere, von denen Niemand etwas wissen kann.
Nach der Version des Herrn Alcock scheint man bei Perry’s erster Ankunft die
Absicht gehabt zu haben, seine Anträge zurückzuweisen. Die für die Vertheidigung
des Golfes von Y e Dd o verantwortlichen D a Im io ’s brachten in zwei Tagen ein Heer
von 10,000 Mann und eine grosse Anzahl Geschütze bei U r a g a zusammen. Man
beschloss jedoch, den Brief des Präsidenten in Empfang zu nehmen. W D e r erste
Minister des S i o g u n I y e - y o s i , M id s u n o Y e t s i z e n - n o - k a m i , ein Anhänger des
alten Systems, soll sich damals mit mehreren D a Im io ’s in Y e d d o verschworen haben,
durch Vergiftung des I y e - y o s i , eines anerkannt tüchtigen und erfahrenen Herrschers’
das Land vom Einfluss der Fremden zu retten, mit der Nebenabsicht, wie man sagt,’
die Herrschaft an sich zu reissen, da der Thronfolger schwachsinnig war. Der S io g u n
schöpft Verdacht und wirft den Giftbecher dem Diener, der ihn überreicht, in das-
Gesicht; dieser durchbohrt ihn mit dem Schwerte und vollzieht dann sogleich das
dermaassen, dass es bis jetzt unmöglich is t, den wirklichen Verlauf
der Begebenheiten herauszufinden.
H a r a k i r u . Y e t s i z e n - n o - k a m i wird der Theilnahrae am Morde beschuldigt und
entleibt sich ebenfalls. — I y e - s a d o , der Sohn des ermordeten S io g u n , wird auf den
Thron erhoben; der erbliche Regent I k a m o - n o - k a m i tritt an die Spitze der Verwaltung.
Er beruft nach einem schon bei Perry’s Ankunft gefassten Beschlüsse eine
Versammlung aller D a im io ’s , die über 50,000 K o k Einkünfte haben, um über die
Zulassung der Fremden Rath zu pflegen. Viele sind dagegen, vor allen der Fürst
von M i t o . Der Fürst von K a n g a , der reichste von allen, soll die Hand an das
Schwert gelegt haben mit dem Ausruf, man müsse lieber sterben als solche Schmach
dulden. Die Versammlung beschliesst jedoch mit schwacher Majorität, auf Verhandlungen
einzugehen und einige möglichst geringe Zugeständnisse zu machen, um
den Krieg zu vermeiden. Der bürst von M i t o , welcher als Titularbrüder Aussicht
auf den Thron hatte, wenn der S io g u n kinderlos starb, verschwört sich mit einer
Parthei mächtiger Lehnsfiirsten, ihn zu vergiften. Als die Herren Donker Curtius
und Harris im Winter 1857— 58 in Y e d d o die neuen Verträge feststellten, soll es
M i t o gewesen sein, der die Unterzeichnung hintertrieb. Im Frühjahr 1858 aber
setzte Mr. Harris die Unterzeichnung des amerikanischen Vertrages durch — und
kurz darauf starb der S io g u n I y e - s a d o eines gewaltsamen Todes. Die Mörder
werden ergriffen, und gestehen von M i t o angestiftet zu sein; der Regent verbannt
diesen auf seine Güter, mit dem Bedeuten, dass seine Entfernung vom Hofe nur
vorübergehend sein solle, wenn er sich ohne Weiteres fuge, entgegengesetzten Falles
werde er ihn vor dem Reichsrath der Vergiftung des S io g u n anklagen, worauf die
Strafe der Kreuzigung steht. M i t o sieht sich durch die Entschlossenheit des Regenten
überwältigt und folgt dem Verbannungsbefehl, I k a m o aber lässt den jungen
Fürsten von K i i , dessen Vater noch lebte, auf den Thron erheben, wodurch die
Linie M i t o wieder ausgeschlossen war. Dieser Schritt, durch welchen I k a m o die
Leitung des Staates — während der Unmündigkeit des S io g u n — in der Hand behielt,
wurde ihm von der Gegenparthei als Treubruch und Verrath ausgelegt, und
später durch seine Ermordung gerächt. — Die Politik des Regenten gegen die Fremden
ist nie recht klar gewesen. Zu Anfang soll er sich neutral gehalten und
niemals bestimmt weder für noch gegen ihre Zulassung ausgesprochen haben. Nach
Unterzeichnung des zweiten amerikanischen Vertrages (Harris, 1858) aber fanden
grosse Veränderungen im G o r o d z io statt: Alle, die mit der Unterzeichnung zu
thun gehabt hatten, wurden ab gesetzt oder degradirt. An die Spitze des neuen
Ministeriums trat der durch seine Anhänglichkeit an die alten Institutionen bekannte
M id s u o T s ik u n g o ; der Regent scheint sich nur durch eine Allianz mit der conserva-
tiven Parthei haben halten zu können. Der’ Drang der Umstände aber zwang dieses
fremdenfeindliche Ministerium gleich nach seinem Eintritt zur Abschliessung des
englischen, französischen, holländischen,.russischen Vertrages.
So weit die von Herrn Alcock erzählten Gerüchte, die ohne allen Zweifel viel
Wahres enthalten. M id s u o T s ik u n g o war bei der Ankunft des preussischen Geschwaders
nicht mehr Minister; die damals am Ruder befindlichen Staatsmänner
gehörten zur gemässigten Parthei.