
84 Grausame Christenverfolguug.
ganze Reich war eine Art von Inquisition organisirt, welche die
Christen aufspüren und zur Abschwörung des Glaubens vermögen
sollte. Anfangs brauchte man gelinde Maassregeln: die Christen
blühender Distriote wurden in entlegene Landschaften versetzt, die
Beamten suchten durch Drohungen und Einschüchterungen zu wirken.
Gewalt wandte die Obrigkeit auch später nur an, wo sie dem Widerstande
begegnete, und doch hat vielleicht die Weltgeschichte nichts
Aehnliches an ausgesuchter, überlegter Grausamkeit aufzuweisen;
denn der Widerstand war fast allgemein, und da die Verfolger
nicht den Zweck hatten, die Christen umzubringen, sondern sie
zur Abschwörung des Glaubens zu treiben, so marterten sie ihre
Opfer langsam zu Tode. Die Freudigkeit, mit der die Bekenner in
den Tod gingen, ihre Standhaftigkeit unter den unsäglichsten Qualen
gewann ihnen selbst und dem Christenthum bei der Menge grosses
Ansehn und erbitterte die Obrigkeit immer mehr, der Trotz musste
gebrochen werden87). Es soll damals eine Verordnung erschienen
sein, welche den Märtyrertod der Christen verbot: der Sinn ist,
dass die Widerspänstigen so lange, bis die Gefahr des Todes einträte,
gefoltert und dann wieder gepflegt werden sollten, bis der
Körper fähig wäre, neue Martern zu ertragen. Zuletzt erreichte
die Regierung ihren Zweck, denn die Meisten konnten die entsetzlichen
Qualen auf die Länge nicht aushalten. '
Von den spanischen und portugiesischen Geistlichen starben
jährlich mehrere den Märtyrertod; auch bei ihnen wandte man
87) Man darf weder die todesmuthige Festigkeit der japanischen Christen noch
die Grausamkeit ihrer Verfolger ganz nach dem Maasse europäischen Gefühls
beurtheilen. Ohne der Glaubenstreue der Bekenner zu nahe treten oder die Rohheit
ihrer Henker beschönigen zu wollen, muss hier doch gesagt werden, dass bei allen
ostasiatischen Völkern, zum Theil gewiss in Folge der buddistischen Lehren, der
Tod und alle körperlichen Leiden als geringe Uebel angesehen werden, — ferner,
dass das Nervensystem dieser Völker ein ganz anderes ist, als das unsere, und dass
sie Verletzungen mit Gleichmuth ertragen, bei welchen den meisten Europäern die’
Sinne schwinden würden. Dies ist rein körperlich. Die Freude an Grausamkeiten
gegen Menschen und Thiere ist eine angeborene Eigenschaft der roheren Classen in
Japan und China. Die Classe der Gerber, aus welcher die Scharfrichter genommen
werden,, ist, wie alle, deren Gewerbe es mit sich bringt, verwesende Stoffe zu berühren
, in Japan von der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Sie bilden eine
besondere Kaste, wohnen abgesondert, dürfen nicht in andere Classen lieirathen,
und werden gradezu als nicht zum japanischen Volke gehörig angesehen. Ihre Berührung
macht unrein.
Die letzten Missionare. Gänzliche Ausrottung des Christenthumes. 85
die grausamsten Torturen an, um sie zur Verleugnung ihres Bekenntnisses
zu bringen. Trotz den streng bewachten Küsten und
dem sicheren matervollen Tode schlichen sich ihrer jährlich noch
mehrere in das Land; sie wanderten tröstend und ermahnend von
Gemeinde zu Gemeinde und vollzogen selbst in dieser Zeit noch
viele Taufen. Nur wenige kehrten zurück, ihre Zahl nahm ungeachtet
des beständigen Zuwachses jährlich ab. Bis zum Jahre 1633 kamen i<m
noch zuweilen ausführliche Berichte nach Europa, voll rührender
Erzählungen von der Treue und Glaubensfreudigkeit der Japaner;
von da an hat man nur spärliche Nachrichten. Bei dem Aufstande
von A rima im Jahre 1637, von welchem später die Rede sein wird,
sind wahrscheinlich keine europäischen Geistlichen gegenwärtig
gewesen, wenigstens giebt es von solchen keine Berichte darüber.
Man weiss, dass 1642 ein Jesuit hingerichtet wurde; 1643 waren
noch drei gefangene Jesuitenväter in Y e d d o , die später auch den
MärtyTertod starben. Ein portugiesischer Renegat, der im Jahre 1633
abgefallene Provincial-Vorsteher der Jesuiten in Japan, Ferreira,
war das Iiauptwerkzeug zur Verfolgung seiner Glaubensbrüder
geworden; er fungirte als Dolmetscher am Hofe von Y e d d o und
leitete mit höhnender Grausamkeit die Verhöre gegen seine ehemaligen
Amtsgenossen. In der Mitte des Jahrhunderts,O ö während
der Minderjährigkeit des S i o g u n J ye - t s u k a , liess die Strenge gegen
die Christen etwas nach, aber nur auf kurze Zeit. Noch 1658
und 1660 kamen Hinrichtungen in N a n g a s a k i vor. Zur Zeit Kämpfers,
um das Ende des Jahrhunderts, begnügte man sich, die Christen
bei schlechter Kost gefangen zu halten und von Zeit zu Zeit
zur Abschwörung des Glaubens aufzufordern. Es waren ihrer im
Jahre 1692 noch fünfzig im Kerker von N a n o a s a k i .
Um 1614 gab es nach den Berichten der Missionare 600,000
Christen in Japan; es ist schwer zu glauben, dass ihre .Zahl sich
unter den späteren Verfolgungen noch vergrössert habe8 8). Von der
Gesammtzahl der Opfer hat man keine Nachricht, sie muss aber,
wenn auch bei weitem die Meisten den Glauben .wieder abschworen,
immer noch sehr beträchtlich gewesen sein.
88) Herr von Siebold giebt die Zahl der Christen, wahrscheinlich nach japanischen
Nachrichten, auf 1,750,000 an. Sollten die Japaner hier nicht alle meinen,
die sich überhaupt seit 1549 taufen liessen?