
Der Sold wird meist in Reis bezahlt; da sich nun seit dem siebzehnten
Jahrhundert sowohl die Bevölkerung als die Fruchtbarkeit
des Landes bedeutend gehoben hat und da jeder Sohn eines S a m r a i
wieder Soldat werden muss, — da ferner das Einkommen des
S io g u n und der D a im io ’s sich nach dem Bodenerträge richtet, so
kann man annehmen, dass mit der Productionskraft des Landes
und der Bevölkerung im Allgemeinen auch die Zahl der Soldaten
wächst, welche von den Fürsten unterhalten werden, und dass das
japanische Kriegesheer heute noch viel zahlreicher ist als zu
Caron’s Zeiten. ,
Den Namen D a im io fuhren die vornehmeren unter den Lehns-
fürsten; S io m io heisst der minderbegüterte oder, wie andere wollen,
der neuere Adel. J y e y a s räumte nach dem Regentenkriege und
wahrscheinlich noch mehr nach der Besiegung desFiDE-YORi unter
den ihm feindlichen Familien stark auf, zerstückte ihren Besitz in
viele kleine Theile, mit denen er seine Getreuen helehnte, und
schuf sich dadurch eine mächtige, ihm selbst aber wegen der Kleinheit
des Einzelnbesitzes ungefährliche Parthei: dieser Adel des J y e y a s
spll vorzugsweise mit dem Namen S io m io bezeichnet werden.
Titel und Besitz vererben in den Familien des Lehnsadels
auf einen unter den Söhnen oder Agnaten ausgewählten Nachfolger;
in Ermangelung eines solchen wird der Erbe aus einer ebenbürtigen
F a m i l i e unter der Sanction des S io g u n adoptirt, welcher auch die
Heirathen des höheren Adels schliesst. Die D a im io ’s sollen es sich
besonders angelegen sein lassen, immer den fä h ig s t e n unter ihren
Söhnen zum Nachfolger zu ernennen und häufig sogar, wenn es
den natürlichen Erben an Begabung fehlt, mit Uebergehung derselben
einem Fremden durch Adoptirung die Succession zuwenden.
So finden hervorragende Eigenschaften meistens ihre Stellung, der
japanische Lehnsadel soll fast durchweg aus tüchtigen Männern
bestehen. Was aus den nichterbenden Söhnen der Grossen wird, ist
unbekannt; Töchter scheinen in Japan überhaupt nicht mitzuerben.
Der Einfluss auf die Heirathen und die Succession des Lehnsadels
, die Zerspaltung' des Reiches in viele Gebiete von ungleicher
Grösse und die Eifersucht der Familien untereinander geben an sich
dem S io g u n schon grosse Macht über dieselben, aber ihre Beschränkung
geht noch viel weiter. Schon 1625 erschien die wichtige
Verordnung, dass alle D a im io ’s sich in Y e d d o Paläste bauen und
ein um das andere Jahr dort zubringen sollten. Während sie selbst
auf dem Lande sind, müssen ihre Familien als Geissel in der Hauptstadt
hleiben; auf allen dahin führenden Landstrassen sind Schlagbäume
aufgestelli, wo die D a im io ’s bei ihrem Auszuge von Y e d d o
anhalten und ihr Gepäck untersuchen lassen müssen, ob etwa
Frauen darin versteckt sind. Während des Landaufenthaltes
darf kein weibliches Wesen über ihre Schwelle kommen. In der
Hauptstadt selbst war es nur mit einander verwandten D a im io ’s
erlaubt sich gegenseitig zu besuchen; man sorgte dafür, dass Nachbarbesitzer
sich niemals zu gleicher Zeit in Y e d d o oder auf dem Lande
aufhielten. Sie haben zwar auf ihren Besitzungen und in ihren
Palästen zu Y e d d o die absolute Gewalt über ihre Unterthanen
und es wird als etwas ganz Gewöhnliches erzählt, dass D a im io ’s ihre
Untergebenen für geringe Vergehen ohne Weiteres auf dem Hofe
ihrer Wohnung köpfen lassen B aber sie sind für die gute Verwaltung
und überhaupt für Alles, was auf ihren Besitzungen vorgeht,
mit dem Leben verantwortlich und werden sogar für die Fehler und
Nachlässigkeiten ihrer Unterthanen bestraft. Der S io g t jn kann die
D a im io ’s z u Gefängniss, Verbannung und zum Tode verurtheilen,
kann sie zur Abtretung der Herrschaft an ihre Erben zwingen und
sogar ganze Familien auf immer aus ihrem Besitze verstossen. Nur
zu der Entsetzung seiner Titularbrüder und einiger der vornehmsten
Lehnsfürsten11 *) soll in neuerer Zeit die Einwilligung des M ik a d o
erforderlich gewesen sein.
Das Leben der D a im i o ’s auf dem Lande ist streng geregelt,
zu jedem aussergewöhnliehen Schritte bedürfen sie der Erlaubniss
des S i o g u n 1 ls). Jedem der vornehmeren Lehnsadligen sind zu seiner
Ueberwachung von Seiten der’ Regierung’ zwei officielle Secretäre
beigegeben, die sich von sechs zu sechs Monaten im Amte ablösen,
ihre Familien aber bleibend in Y e d d o lassen müssen. Sie haben
u4) Als solche werden die Fürsten von K anga, Satsuma, Mu t s , Y etsisen,
Oomi und Osio genannt. — Im Jahre 1773 befahl der Siogun einem der kaiserlichen
Prinzen, dem Fürsten von Kn, welcher jähzornigen Charakters und grausam gegen
seine Untergebenen war, sich zu entleiben. T suna- yosi ertheilte denselben Befehl
seinem eigenen Bruder, der sich dem Tranke ergeben hatte und ein unwürdiges
Leben führte.
u8) Sie durften z., B. noch bis ganz vor kurzem keinen Ausländer bei sich
empfangen —~ auch in Yeddo in ihren Häusern nicht, — ohne specielle Erlaubniss
der Regierung, deren Aufpasser dann hei allen Unterredungen gegenwärtig sein
mussten. So bedurften sie auch zum Ankauf von Dampfschiffen, Kriegsbedarf u. s. w.
der besonderen Genehmigung des S iogun.