
62 Das Religionsedict. Veranlassungen dazu.
»Unsere getreuen Räthe und Diener haben uns vorgestellt, dass
die fremden Geistlichen, die in unsere Staaten gekommen sind,
eine den japanischen Satzungen widersprechende Lehre predigen,
und dass sie selbst die Dreistigkeit gehabt haben Tempel unserer
K a m i s und Götter zu zerstören. Obgleich diese Uebertretung
die schwerste Züchtigung verdient, wollen wir ihnen doch Gnade
angedeihen lassen, befehlen ihnen aber bei Todesstrafe binnen
zwanzig Tagen Japan zu verlassen. Während dieses Zeitraumes
soll ihnen kein Leid geschehen; findet sich aber nach dieser
Frist noch einer im Lande, so soll er wie ein Verbrecher bestraft
werden. Den portugiesischen Kauileuten erlauben wir in unsere
Häfen einzulaufen, ihren gewohnten Handel zu treiben und so
lange in unseren Staaten zu verweilen als ihre Geschäfte erfordern,
verbieten ihnen aber fremde Geistliche mitzubringen
bei Strafe der Confiscation ihrer Waaren und Fahrzeuge.«
Dieses Edict erliess T a i k o - s a m a von 1 'a k a t a 7') aus.- Die
dort befindlichen Missionare wurden auch mündlich darüber zur
Rede gestellt, »dass sie seine Unterthanen zum Schlachten der für
die Landwirthsehaft so nothwendigen Ochsen und Kühe verleiteten,
dass sie ihren Landsleuten erlaubten Japaner und Japanerinnen wegzuschleppen
und in fremde Länder zu verkaufen.« In der That
klagen die Jesuiten selbst über die zügellosen Ausschweifungen der
portugiesischen Kaufleute und Schiffer: fast täglich wurden Frauen
und Mädchen aufgefangen und nach den Schiffen entführt; auch
scheint ein ausgedehnter Menschenhandel nach Ostindien, ähnlich
dem heutigen Kuh-Handel in China, getrieben worden zu sein. Aber
weder diese Ungesetzlichkeiten, noch die von den Jesuiten angegebenen
Umstände — derUnmuth des T a i k o - s a m a darüber, dass
eine in F i r a n d o eingelaufene Carake des seichten Wassers wegen
nicht auf seinen Befehl nach F a k a t a kam, dass die von ihm bei
den Portugiesen bestellten und zum projectirten Feldzuge nach Korea
bestimmten Schiffe noch immer nicht eintrafen, dass es seinen
Kupplern nicht gelang sein Harem aus den christlichen Districten
zu recrutiren — können die wahren Ursachen der Ausweisung- der
Jesuiten gewesen sein: der tiefere Grund war ihr -wachsender Einfluss
und die beunruhigende Ausbreitung des Christenthumes, dafür
zeugen die zu gleicher Zeit erfolgte Verbannung des christlichen
Feldherrn T a k a - y a m a - U k o n , welcher das Bekehrungswerk besonders
71) An d e r K ü s t e von T s ik u d s e n a u f K iu s iu .
Wirkungen des Christenthumes auf das japanische Volk. 63
eifrig gefördert und die Bonzen grausam verfolgt hatte, und die
Nichtausdehnung des Spruches auf die portugiesischen Kaufleute,
gegen welche doch ein wesentlicher Theil der Beschwerden gerichtet
war. Die gesteigerte Schnelligkeit, mit der sich das Christenthum
in den letzten Jahren verbreitet hatte, liess den Zeitpunct nicht mehr
fern erscheinen, wo sich die Mehrzahl der Landesbewohner dazu
bekennen würde, und die Bekehrten hingen mit unbedingter Ergebenheit,
mit begeisterter Ehrfurcht an ihren Lehrern. Bisher
gewohnt sich selbst gering zu achten, von seinen Oberen nur mit
erhabener Strenge behandelt und in scheuer Entfernung gehalten
zu werden, lernte das Volk jetzt plötzlich seinen eigenen Werth
kennen. Denn das Christenthum lehrt, dass ‘Hoch und Niedrig
gleichen Anspruch auf das Himmelreich haben, dass alle weltlichen
Güter nichtig, ja dem Menschen auf dem Wege zur Seligkeit nur
hinderlich sind. Die Missionare bethätigten diese Lehre durch den
eigenen Wandel und hoben die niederen Classen, in welchen die
lange unterdrückten Gefühle der verehrenden Liebe mit wunderbarer
Frische aufblühten, rasch zum Bewusstsein ihrer Menschenwürde.
Die japanischen Machthaber hatten seit Jahrhunderten nur ein
Regiment der Furcht und des Schreckens geübt. Ein Fürst, ein
Edeler wurde als etwas unnahbares, als ein höheres Wesen angesehen,
unübersteigliche Schranken schieden das Volk von seinem
Herrn, dem es unbedingten Gehorsam und die tiefste Ehrfurcht
schuldete. Das waren die seit undenklichen Zeiten feststehenden
Grundlagen der politischen Verfassung von Japan; sie wurden
durch die Einführung des Christenthumes auf das tiefste erschüttert.
Zunächst schon musste die auffallende Anhänglichkeit der
Bekehrten an ihre Lehrer die Machthaber mit Unbehagen erfüllen,
dann aber bei näherer Kenntniss die Lehre selbst, bei deren
weiterem Umsichgreifen die alten Verhältnisse nicht fortbestehen
konnten. Nach ihren Begriffen wurde das Volk entsittlicht, denn
der Glauben an die göttliche Abstammung der Herrscher und Edelen
und an ihre Berechtigung auf den unbedingten Gehorsam des Volkes
war die Grundlage des japanischen Staatslebens und gewissermaassen
der japanischen Gesittung. Der Unterschied der Stände gilt dort als
etwas Innerliches, der Seele anhaftendes und die Anerkennung des
einfachen Satzes, dass vor Gott alle Menschen gleich sind, musste
zerstörend auf den politischen Organismus wirken. Franz Xaver
selbst ist die Ehrfurcht des japanischen Volkes vor seinen Edelen