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Die B u n y o ’s haben, wie die D a im io ’s , Gewalt über Leben
und Tod ihrer Untergebenen, üben als Statthalter in ihren Distrieten
die höchste Gerichtsbarkeit aus und sind nur der Centralbehörde
verantwortlich, welche sie auf das strengste beaufsichtigt und für
alle Ungehörigkeiten bestraft. Die japanischen Beamten müssen,
gleichviel ob befähigt und vorbereitet oder nicht, jede ihnen vom
S io g u n übertragene Stellung annehmen. Blinder Gehorsam gegen
den Vorgesetzten ist die unverbrüchliche Regel, jede Abweichung
davon gilt für ehrlos.
Wie der Lehnsadel und die kaiserlichen Statthalter der Centralregierung,
so sind Jenen die Communalbehörden für das Volk verantwortlich.
Die Städte und Flecken sind in Strassen abgetheilt,
deren jede etwa hundert Häuser umfasst; sie können durch Thore
von den Nachbarstrassen abgeschlossen werden. Jeder Hausvater
muss nicht nur für seine eigene, sondern auch für die fünf ihm
zunächst wohnenden Familien einstehen; der Gassenmeister, O t t o n a ,
dem zwei Gehülfen, die K a s i r a , beigegeben sind, ist für seine
Strasse dem Viertelsmeister, dieser wieder dem Bürgermeister verantwortlich.
Letztere Würde soll häufig in den ersten Bürger-
familien erblich sein, während die niederen Aemter durch die Wahl
der Bürger unter Bestätigung der Oberbehörde besetzt werden.
Die Bürgermeister sind den kaiserlichen oder fürstlichen Beamten
verantwortlich; ein Generalaufpasser hat die Obliegenheit, von
Allem, was vorgeht, zuerst unterrichtet zu sein und den Behörden
Anzeige zu machen. — Aehnlich ist die Einrichtung auf dem Lande,
doch giebt es wahrscheinlich viele Abweichungen in den verschiedenen
Theilen des Reiches, denn die Regierung der S io g u m ’s scheint
den Grundsatz befolgt zu haben, den einzelnen Landschaften ihre
von Alters her eingelebten Institutionen zu lassen. Die Lehnsfürsten
haben sogar die Befugniss, auf ihren Territorien selbstständig Gesetze
und Verordnungen zu erlassen, sofern dieselben nur nicht mit den
Interessen des Gesammtstaates oder anderer Landestheile — oder
mit den Befehlen des S io g u n colhdiren. Die Communalbehörden
haben für die öffentliche Sicherheit zu sorgen; am Ende jeder
Strasse steht ein Wachthaus, wo die K a s ik a und der Reihe nach
einige von den Hausvätern die Wache beziehen. Diese halten Nachts
ihre Umgänge, zeigen durch lautes Zusammenschlagen zweier Hölzer
die Stunden an und spähen von hohen Warten aus nach den
Feuersbrünsten, welche dann durch Glockenklang der Bevölkerung
Der Grundzins. — Die Justiz.
verkündigt werden. Bei Unruhen, Bränden und.sonstigem Strassen-
tumult muss jede Familie einen Mann zur Wache stellen, welche
dann der O t t o n a befehligt. Dieser muss genau in seiner Strasse
Bescheid wissen, er führt die Listen über die Geburten, Heirathen
und Todesfälle, und verwaltet das Gassenvermögen, an welchem
alle Hausväter Antheil haben. F a l l e n Ungehörigkeiten vor, so wird
nicht nur der Delinquent, sondern auch jede der ihm Vorgesetzten
Behörden zur Verantwortung gezogen, und bei schweren Vergehungen
die Strafe sogar auf alle männlichen Mitglieder seiner
Familie ausgedehnt Niemand kann ein Haus erwerben ohne
Zustimmung des O t t o n a und der Nachbarn, welche für ihn mitverantwortlich
werden. Der Grund und Boden scheint überall dem
S io g u n oder den Lehnsfürsten zu gehören; - der Grundzins, welcher
in manchen Gegenden sehr hoch ist und sich jährlich nach dem
jedesmaligen Ertrage verändert, ist die hauptsächlichste, in den
meisten Landestheilen wahrscheinlich die einzige Steuer. Der Grundherr
hat zwar das Recht, jeden Augenblick frei über sein Eigenthum
zu verfügen, doch bleibt der Landmann gewöhnlich im ruhigen
Besitze seines Ackers, so lange er ihn gehörig bestellt; aber
der Eigenthümer hat sogar die V e r p f lic h tu n g ihn auszuweisen,
wenn er ein Jahr lang seine Felder nicht anbaut. — In den Städten
gehören die Häuser den Bürgern, den Grund und Boden können
sie aber, wie es scheint, nicht erwerben, sondern bezahlen dem
Besitzer Abgaben davon.
Die'Justiz ist mit der Verwaltung verbunden: kleine Händel
schlichten die Communalbeamten, alle Sachen von Belang aber
kommen vor die Regierungsbehörden, Processe giebt es nicht und
das Amt der Advocaten ist unbekannt. In civilrechtlichen Fällen
wird der Beklagte, sobald sich die Richtigkeit der gegen ihn erhobenen
Forderung herausgesteRt hat , bei magerer Kost so lange in
einen mehr oder'weniger unbequemen Käfig gesperrt in manchen
Fällen auch nebenbei ausgepeitscht — bis er seine Verpflichtungen
erfüllt oder sich mit dem Kläger verglichen hat. In criminellen
Sachen sind die alten Strafgesetze, welche zu verändern die Japaner
sich scheuen, sehr streng und grausam. Abweichungen vom
127Y So war es, wenigstens in früherer Zeit. Jetzt scheint diese Unsitte beseitigt
zu sein. Vormals pflegte man die Todesstrafe an allen Mitverurtheilten aus der
Familie des Verbrechers, in welchem Theile des Reiches sie sich aufhalten mochten,
mit seiner Hinrichtung am gleichen Tage und zu derselben Stunde zu vollziehen.