
32 Verfall der K u a n b a k - Herrschaft. Regierung der Ex - M ik a d o ’s .
ursprünglich im Namen der Erbkaiser übten, gingen durch den
Brauch und die Gewohnheit langer Zeiträume allinälich auf sie
selbst über. So entstanden die Erblehen. Einige dieser Fürsten
wuchsen den schwachen K u a n b a k ’s über den Kopf und schüttelten
deren Herrschaft ab: schon im Anfänge des elften Jahrhunderts
bekriegten mehrere selbstständig gewordene D a im io ’s einander ungestraft,
und um 1050 brach in den nördlichen Landschaften von
N i p p o n eine Rebellion gegen die Centralregierung aus, welche erst
nach langen heftigen Kämpfen unterdrückt wurde. Der siegende
Held dieses Krieges war M in a m o t o - n o - Y o r i - y o s i 31) , der nach
seinem Tode als Kriegsgott F a t sm a n - y ü verehrt wurde, der Stammvater
der späteren SioGUN-Dynastieen.
Dem einundsiebzigsten M ik a d o G o - S a n s io 32) gelang es um das
1070. Jahr 1070, dem schwachen K u a n b a k das Ruder,der Herrschaft zu entwinden;
er wurde auch für kurze Zeit Herr der rebellischen Grossen.
Seine Nachfolger fuhren zwar fort den Häuptern der F u d s iw a r a
den hergebrachten K u a n b a k - Titel zu verleihen, doch scheint dieses
Amt seitdem eine Art Hausministerium geworden zu sein; die frühere
Macht erlangten sie trotz mancherlei Versuchen niemals wieder.
Die nächsten achtzig Jahre bieten nun die merkwürdige
Erscheinung, dass die Erbkaiser, sobald sie einen lebensfähigen
Erben haben, dem Throne freiwillig entsagen, aber die Leitung
des Staates in der Hand behalten. Das Ceremoniel, mit welchem
die K u a n b a k ’s die geheiligte Person des M ik a d o umgeben hatten,
und dessen man sich jetzt nicht mehr entledigen konnte, scheint
jede freie Bewegung gehemmt und ein kräftiges Eingreifen in die
Geschäfte unmöglich gemacht zu haben. G o - S a n s io abdicirt schon
nach dreijähriger Regierung zu Gunsten seines Sohnes D s ir o - k a w a ,
der, von seinem Vater in die Geschäfte eingeweiht, im Jahre 1086
ebenfalls abdankt, um die Leitung des Staates nach dessen Tode
zu übernehmen. Er regiert das Land unter den beiden folgenden
Kaisern, seinem Sohne und Enkel. Der Letztere, T o b a , resignirt
,3t) Auch diese Familie leitet sich von dem Geschlechte der Erbkaiser -her: der
zweiuudfunfzigste M i k a d o S a g a - n o - t e n - o (810.— 823) verlieh seinen vier Töchtern
den Namen M in a m o t o ; von einer derselben solU'das Geschlecht des Y o r i - y o s i
abstamineh.
32) S a n s io der Zweite.
Herrschaft der Ex - M i k a d o ’s . 33
schon im zweiundzwanzigsten Jahre zu Gunsten seines Sohnes
S iu t o k und ergreift bei D s ir o - k a w a ’s Tode die Zügel der Herrschaft.
Auf sein Geheiss muss später S iu t o k die Krone einem jüngeren
Halbbruder abtreten, nach dessen Tode T o b a abermals einen seiner
unmündigen Söhne auf den Thron setzt. D s i r o - k a w a stirbt, und
S iu t o k sucht sich (1156), zu schwach für die Herrschaft, wenigstens 1156.
des Thrones wieder zu bemächtigen, um seinen eigenen. Söhnen
die Nachfolge zu sichern. Der Hof ist in zwei Partheien gespalten:
S iu t o k unterhegt nach blutigem Kampfe, wird zum Priester geschoren
und in die Verbannung geschickt.
Alle diese Herrscher waren ihrer Stellung nicht gewachsen.
Unter der kraftlosen Verwaltung der letzten K u a n b a k ’s hatten die
Lehnsfürsten ihre Häupter erhoben und boten der kaiserlichen Regierung
Trotz, und wenn auch G o - S a n s io auf kurze Zeit der aufrührerischen
Grossen wieder Meister wurde, so konnten doch weder
er noch seine Nachfolger ihr Ansehn auf die Länge behaupten.
Der Zwist in der Familie der M ik a d o ’s gab ihrer Macht den Todes-
stoss. Seitdem S iu t o k seinen Bruder zu entthronen suchte, war das
Kaiserhaus immer in verschiedene Factionen zerspalten und wandte
vergebens alle Mittel der Gewalt und Intrigue auf, um die Herrschaft
wieder an sich zu reissen; sie wurden seitdem ein Spielball der
Grossen, welche sich ihres Ansehns nur zu Erreichung der eigenen
selbstsüchtigen Zwecke bedienten.
Schon unter der Herrschaft des D s ir o - k a w a waren wieder Unruhen
in den nördlichen Landschaften von N i p p o n ausgebrochen, zu
deren Unterdrückung zwei blutige Kriege geführt werden mussten. Der
kaiserliche Feldherr M in a m o t o - n o - Y o s i - y e , ein Sohn des Y o r i - y o s i ,
benutzte sein in diesem Kriege gewonnenes Ansehn, um sich von den
Bewohnern des K u a n t o 33) huldigen zu lassen. D s ir o - k a w a sandte den
33) Unter dem Namen K u a n t o verstand man den ganzen östlichen Theil von
N i p p o n , jenseit der Grenzwachen von S u z ü n g a in der Landschaft I s y e ; das westlich
von diesem Passe gelegene Land hiess K u a n s e i ; im engeren Sinne scheint der Landstrich
zwischen jenen Grenzgebirgen von I s y e und dem Golfe von Y e d d o v—; also die
Provinzen Y e t s i n g o , F i d a , K o o t s k e , S i n a n o , S a n g a m i , I d s u , T o o t o m i , S u r u n g a
und M i k a w a — den Namen K u a n t o geführt zu haben; — so ist dieser Complex von
Landschaften wenigstens auf einer alten französischen Karte von Japan bezeichnet,
welche sich wahrscheinlich auf einheimische Karten des siebzehnten Jahrhunderts
und die Angaben der Jesuiten gründet. — Jetzt heisst K u a n t o nach einer Notiz
des Herrn von Siebold nur das östlich von den Grenzwachen von F a k o n e (Provinz
S a n g a m i ) gelegene Land, also die um den Golf von Y e d d o liegenden Provinzen.
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